Katers fragmentarischer Text versammelt Miniaturen vom langsamen Verschwinden, vom Nicht-mehr-Begreifen, bei Patienten, Angehörigen wie Betreuern. Das ist manchmal zum Verzweifeln komisch, anrührend und voller Schmerz erzählt; doch mit viel Kissen um Bauch und Hüften sowie fürchterlichen Perücken sind halt auch demente Monsterchen zu belächeln – eklig stinkende Altenpflege wie zuletzt bei der Sohn-pflegt-Vater-Passion von Romeo Castellucci und der italienischen Societas Raffaella Sanzio will Petras niemandem zumuten. Doch der Allerdementeste beschwört immerhin den Traum vom „Schmetterlings-grund“ – als eine Art Paradies jenseits der belebten und bewohnten Welt. Und wir wissen ja nicht, ob da nicht irgendeine verlorene Seele doch noch zur Ruhe kommt …
Der Fußballtorwart Robert Enke fand seine finale „Ruhe“ auf den Schienen der Regionalbahn nahe Neustadt am Rübenberge bei Hannover – im Herbst vor drei Jahren nahm er sich dort das Leben. Im zweiten Teil-Stück „Schwarzer Hund“ erzählt Kater die Geschichte vom Auf-, Ab- und Wieder-Aufstieg, von den persönlichen Dramen um Robert und Theresa Enke, von Krankheit und Tod in der Depression, die sich (so steht’s in Enkes Biographie) als „schwarzer Hund“ unabschüttelbar auf Herz und Hirn des Top-Torwarts gelegt hatte. So stark die Geschichte um das zeitlebens zwischen Leben und Karriere überforderte Paar sein mag, so schwach ist Katers Text: rein biographisch an den Daten von Leben und Werk entlang erzählt und ohne die finstre Poesie, die die Fabeln von den Dementen zuvor weithin ausgezeichnet hatte: „Schwarzer Vogel, nimm mich mit! / Schwarz: ein Schnitt / schwarz: ein Schnitt“ raunte da der Schmetterlingsbeschwörer – und zitierte so einen der allerstärksten Kater-Texte, uraufgeführt in Frankfurt an der Oder, als es dort noch ein richtiges Theater gab.
Im dritten Teil erzählt Kater in einem eher fahrig-wurschtigen Happening-Versuch vom Tagebuch des praktisch vergessenen tschechischen Film-Modernisten Pavel Juraczek – der ist gerade mit einem „Gulliver“-Film beschäftigt, als 1968 der Prager Frühling losbricht; und er quält sich anhaltend mit der Frage, ob er nun die Kunst vorantreiben solle oder nicht doch besser die Revolution. Kunst sei Revolution, lässt er zum Schluss raunen, oder sie sei gar nichts – das Hin und Her um Tochter, Ex-Frau und Geliebte lässt im Stück aber nicht wirklich ahnen, dass das stimmen könnte.
Katers Abschied von Berlin ist nichts weniger als enttäuschend, auch weil sich jenseits von „Fabeln über das Scheitern“ ein etwas tiefer reichender Zusammenhang nur an den Haaren herbei zerren lässt. Aber „Demenz, Depression und Revolution“ ist womöglich nur ein Vorgeschmack auf all das, was sich auf dem Weg nach Stuttgart noch ändern wird zwischen Autor und Regisseur.