Foto: Dea Lohers neues Drama "Am schwarzen See" in der Göttinger Inszenierung. © Thomas Müller
Text:Detlev Baur, am 14. Dezember 2012
Kurz vor Jahresende kam die zweite Inszenierung von Dea Lohers zart-bitterem, lyrischem Stück „Am schwarzen See“ am DT heraus. Nun, allerdings am Deutschen Theater in Göttingen. Die Uraufführung am Berliner DT hatte das Aufeinandertreffen der zwei Ehepaare, deren befreundete Kinder sich vor vier Jahren gemeinsam im See das Leben genommen haben, gleichsam überinstrumentiert: aus einem Kammerspiel wurde da große Oper (siehe der Link oben). Dabei liegt die Faszination des Stücks im liebevollen, sprachlichen Ineinander der vier Leidenden. Die herzkranke Else und der ausgebrannte Banker Johnny, der geschäftsuntüchtige Brauereibesitzer Eddie und seine weltgewandtere Frau Cleo treffen sich in deren Haus am See, machen sich gegenseitig versteckte Vorwürfe, berichten von sich und forschen gemeinsam nach den Gründen für den unerklärlichen Abschied der Kinder.
In Göttingen nun hat Mascha Mazur eine weite, fast leere Bühne gebaut; die Holzplanken am Boden erinnern eher an eine Terrasse als an ein Haus. Die vier Korbsessel sind nicht nur Sitzgelegenheiten, sondern auch Tanzpartner in der Choreographie zu Beginn, bei der Begrüßung von Else und Johnny. Mit viel, ganz unterschiedlicher Musik schafft der polnische Regisseur Wojtek Klemm eine Art Nummernrevue. Die komplizierte Psyche der Figuren wird so insgesamt etwas grob und auf kurzfiristige Effekte hin kanalisiert; andererseits werden in stillen Szenen die Verletzungen der Vier eindrücklich dargestellt. Besonders Andrea Strube gelingt es in ihren Monologen, die Vergangenheit anschaulich zu beschreiben und die Härte ihrer Cleo mit zarter Verletzlichkeit zu verbinden. Wenn sie am Ende nach dem „Warum“ des Selbstmordes ihres Sohnes und der Tochter von Else und Johnny fragt, wird deutlich, dass es in Dea Lohers „Am schwarzen See“ nicht um Therapie oder die Geschichte eines Teenager-Selbstmordes geht, sondern um den Umgang mit dem Unfassbaren.
Auch bedingt durch die abrupten Übergänge wirken einige Szenen in der Göttinger Inszenierung sehr forciert gespielt. Die fragilen Bande zwischen den Figuren geraten dadurch zur Behauptung. Letztlich inszeniert Klemm einen Todestanz von Noch-Lebenden. Immer öfter wird aus dem Stützen des anderen ein langsamer Tanz. Wenn am Ende der anderthalb Stunden die Begrüßung wieder von vorne beginnt, zeigt sich: Das Treffen war nur eine kollektive Imagination, es könnte auch ganz anders ablaufen. Diese Zweit-Inszenierung des Stücks ist eine geschickte Umsetzung, die es sich aber auch etwas einfach macht mit dem sperrigen Stoff.