Neumanns ungewöhnliche Arbeitsweise, die auf Improvisationen und Gedanken der Schauspieler fußt, offenbart sich schön im Bild von der „Unschuld“. Da zerbricht eine Jungenfreundschaft an der ersten Liebe. Sensibel erfasst Matthias Kelle jenen Augenblick, wenn die Leidenschaft des Knaben in Hass umschlägt. Da verliert er seinen naiven Glauben. Das tut auch die eine Spur zu wohlmeinende Gabriele Hintermaier als Adoptivmutter, als ihr angenommener Sohn aus einem Entwicklungsland zum Verbrecher wird.
Die Keckheit, mit der Neumann sich Boschs bizarre Bilderwelt aneignet, ist erfrischend. In einer pointierten Alltagssprache verhandeln die Schauspieler Gewichtiges. Nachdenken über die Kunst ist hier dramaturgisches Prinzip. Den düsteren Bildteil, in dem Menschen in der „musikalischen Hölle“ schmoren, empfinden die Schauspieler großartig nach. Quälendes Tröten und Röhren steigert Thomas Osterhoff in seiner Musik bis zum Exzess. Schwächen offenbart die Regiearbeit erst im vierten Bild, das der Liebe und der Selbstfindung eines jungen Mannes gewidmet ist. Da verheddert sich Neumann doch noch in verkopfter Theorie. Er bemüht Philosophen von Nietzsche bis Foucault und schafft es nicht immer, deren Gedanken in griffige Zeichen zu fassen.