Foto: Szene aus "The King's Speech" © Sven Heine
Text:Michael Laages, am 21. November 2012
Vier Oscars war der Film von Tom Hooper wert im vorigen Jahr – „The King’s Speech“ erzählt die Geschichte von Georg VI., dem britischen König, der 1937, bei der Thronbesteigung, noch stark stotterte, zwei Jahre später jedoch das Volk mit einfühlsamen Reden in den Krieg gegen Nazi-Deutschland führte. Ein australischer Sprachlehrer hatte das Wunder vollbracht – er ließ den Stotterer singen, tanzen und mit Kraft-ausdrücken um sich werfen … so fand der Patient die Sprache und sich selbst. Anfang des Jahres wurde das Stück zum Film in London uraufgeführt, jetzt zeigt das kleine Hamburger „St.-Pauli-Theater“ die deutsche Erstaufführung.
Michael Bogdanov, dem einst so glücklosen englischen Chef am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, gelingt ein Kunststück der sehr besonderen Art – er bekommt all das freundliche Gemenschel der Story (vom missachteten Zuwanderer aus dem australischen Hinterland, der dem frisch gekrönten englischen König das Stottern wegtrainiert) genau so geschickt in den Griff wie die politischen Dimensionen der Geschichte – denn Königssohn Albert, der Zweitgeborene der Monarchie, folgt ja auf den an sich viel beliebteren Bruder David im Augenblick, da der Krieg schon vor der Türe steht. In Deutschland geifert „der Führer“, und David, der abtrünnige Königsbruder, der die Krone für eine unpassende Liaison drein gibt, will sich sogar mit dem Berliner Schreihals verbünden. Der scheue Albert, gehänselt für’s Stottern und auch sonst geschunden seit Kindesbeinen, findet sich selbst, den eigenen Wert, als Mensch und als König, in der gewonnenen Sprache; und er gewinnt das Volk; vielleicht den Krieg.
All das steckt in David Seidlers brillant geschriebener, pointensatter Story über die Royals und den „underdog“; und Bogdanovs Hamburger Team lockt all das hervor in einer technischen Großtat – das winzige, eigentlich völlig unterdimensionierte Theaterchen an der Reeperbahn wird zur fulminant ratternden Maschine voll von pfiffig über- und hintereinander projizierten Bühnenbildern, historischen Video-Sequenzen, grandios gemischter Musik aus Händel und Swing; und in den Hauptrollen spielt ein Traumpaar: Marcus Bluhm, sonst meist nur der hübsche Oberflächling, kämpft hier den Selbstwertkampf des Königs, der fernseh- und „Tatort“-erprobte Boris Aljinovic ist ein derart herzenskluger, frecher, komischer und gelassener Sprachlehrer, dass dem Hamburger Publikum das Herz übergeht vor Freude und Lust … und zu Recht: „The King’s Speech“ gehört zum Schönsten, was in dieser Theatersaison zu sehen ist!