Foto: Szene mit Cornelia Heyse, Wolfgang Hinze und Sara von Schwarze. © Sabine Haymann
Text:Adrienne Braun, am 1. Oktober 2012
Der Vater wollte weg, er wollte kein Deutscher mehr sein. Also ist er nach Israel gezogen, weil er spürte „hier gehöre ich hin“. Er konvertierte zum Judentum, weil es „voller alter Weisheit“ stecke. Jahre später steht Abraham vor seiner Tochter, die den Vater mit Vorwürfen bombardiert, die voller Hass steckt und um sich schlägt. Auf der Bühne heißt die Tochter Ruth, in der Wirklichkeit ist ihr Name Sara von Schwarze. Sie ist in Deutschland geboren worden, zog mit den Eltern nach Israel, wo sie heute eine erfolgreiche Schauspielerin ist. Im Alten Schauspielhaus Stuttgart wurde nun ihr Stück „Zwischen den Welten“ uraufgeführt. Sara von Schwarze hat eine Generalabrechung geschrieben, in der sie Hiebe in alle Richtungen austeilt: nicht nur gegen den Vater, sondern auch gegen die Deutschen, die ihre Schuld verdrängt haben, gegen das Judentum, das Frauen diskriminiert, gegen den Kampf zwischen Israelis und Palästinensern. Es ist wie ein Tribunal, bei dem von Schwarze als höchste Richterin auftritt und an den Pranger stellt, sie, die alles besser machen will.
In einer Art analytischem Drama legt „Zwischen den Welten“ sukzessive die Schichten der Vergangenheit frei. Der Vater ist vor Jahren wieder nach Deutschland gezogen – die Familie aber ließ er zurück. Nun lebt er mit Sabine und seiner Lebenslüge. Er ist weder Israeli noch Jude, er will es nur sein. Grob und aggressiv deckt Ruth sein Doppelleben auf, sie reißt Fotos von der Wand, zerrt den Telefonstecker aus der Dose und trinkt den Wein aus fremden Gläser. Sie beleidigt, kränkt, sagt zu Sabine „so sieht sie also aus, die berühmte Familienzerstörerin“. Aber dieses schroffe, verzweifelte Bühnen-Ich, das von Schwarze konstruiert hat, soll doch nur Ausdruck ihres verzweifelten Kampfes um das Gute sein. Sie, als Deutsche in Israel, lädt sich alle Schuld auf die Schultern, während die Schuldigen, die Eltern, die Deutschen, es sich gut gehen lassen.
Von Schwarze fehlt nicht nur die Distanz zu ihrer eigenen Figur, sie scheitert auch an dem Versuch, die großen weltpolitischen und historischen Ereignisse in dem Familienkonflikt zu spiegeln. Die Charaktere bleiben schematisch und wirken konstruiert. So hat Günther Beelitz vielleicht den richtigen Riecher gehabt, als er drei Wochen vor der Premiere die Regie niederlegte. Der Intendant Manfred Langner hat die Inszenierung zu Ende geführt, solide, aber ohne rechten Schwung. Zäh fließen die Monologe und die blutarmen Dialoge dahin. Sara von Schwarze spielt sich selbst in den Mittelpunkt, man spürt, dass sie sich als das Zentrum des Geschehens begreift und die anderen Figuren zu Stichwortgebern degradiert. Cornelia Heise macht ihre Sache gut, sie bringt als Sabine ein wenig Leben ins Geschehen, während Wolfgang Hinze oft wie apathisch wirkt und verloren mit seinen bunten Ketten und Armbändern neben dem Sofa steht und ins Leere starrt. Bei aller Wut – letztlich raufen sie sich dann doch zusammen. „Irgendwie liebe ich dich immer noch“, sagt Ruth, nachdem sie den Vater beschimpft und beleidigt hatte. Und die Stiefmutter beendet das Stück schließlich mit einem großen, pathetischen Satz. „Vielleicht brauchst du nur ein bisschen Liebe“.