Foto: Szene aus Holger Schobers "Dunkles Land" am Comedia Köln. © MEYER ORIGINALS
Text:Ekaterina Kel, am 18. September 2012
Mit der Uraufführung des neuen Stücks von Holger Schober eröffnete das Comedia Theater in Köln am vergangenen Sonntag seine 30. Spielzeit. Angekündigt wurde ein postapokalyptischer Thriller. „Dunkles Land“ lädt dazu ein, über ein Leben nach dem Weltuntergang nachzudenken. Wie würden wir ohne Strom, ohne Licht, ohne Internet existieren? Wie bekommt man seine verlorene Identität zurück oder wie erfindet man sich eine neue? Wie entkommt man den sich einschleichenden Instinkten?
Vor ein paar Jahren zerstörte eine ungeheuere EMP Bombe das gesamte Stromsystem. Seitdem fegt eine riesige Staubwolke über die Erde, Sonnenstrahlen sind rar geworden. Chaos, Angst und Hunger verwandelten die Erde in einen sehr unangenehmen Ort – und ihre Bewohner in verlorene Seelen. Begriffe wie Zeit und Ort spielen keine Rolle mehr. Fünf junge Männer und Frauen landen in einer Welt, die wir uns kaum vorstellen können und suchen nach Strategien, um nicht vollkommen dem Wahnsinn zu verfallen. Wofür genau man kämpft, ist unklar. Aber man kämpft.
Auf eine weiße Plane, die als einziges greifbares Bühnenelement die Inszenierung begleitet, wird ein blaustichiger Film projiziert. Die Black Box ist sonst leer und dunkel. Austatterin Brigit Kofmel beweist, dass große Effekte mit minimalen Mitteln erzielt werden können. Mit einem krachenden, schreienden und blitzenden Multimedia-Erlebnis startet Christopher Haninger seine Inszenierung – eine Art Prolog zum Stück aus beeindruckender Video-, Ton-, und Lichtarbeit. Dabei organisiert Jörg Ritzenhoffs saubere Tongestaltung das Chaos um die steife Plane. Es knallt, es poltert, es brummt fürchterlich – mit Bässen wird nicht gespart. Wohl aber mit der Vielfalt der Charaktergestaltung. Die Figuren wirken an manchen Stellen etwas zu bekannt, zu unoriginell. Umso schwieriger ist es für die Schauspieler individuelle Züge für die jeweiligen Figuren zu finden – Details werden das eine oder andere Mal in klischeeartigen Techniken verwischt.
Wild wird in die Haupthandlung getanzt und dabei das Bühnenbild umgeschmissen, alle fünf Schauspieler hüpfen unter der Plane hervor, das Licht ändert sich von mystisch-blau in rostig-orange bis unangenehm-gelb und die Projektionsfläche wird zum Boden, zum Schauplatz umstrukturiert. Schrille Kostüme, Scheinwerfer-Lüstre, blinkende Lichter, Nebelschwaden. Ortlosigkeit. Darin: fünf etwas steif stehende Darsteller. Sehnsüchtig der alten Welt hinterhersinnend, zählen sie bedeutungslos gewordene Gegenstände auf: Ipods, Ipads, Iphones.
Während Rambo (Manuel Moser) und Norma Jean (Nika Wanderer) mitten im Horrorszenario Zeit zum Flirten finden, verblutet Rita, dargestellt von Nadja Duesterberg, an ihrer Verletzung. Denn hinter den sich neu gefundenen Freunden ist eine kannibalistische Bande her, die keine Rücksicht auf individuelle Modalitäten nimmt. Da scheint Cobras Monolog, gespielt von Moritz Heidelbach, etwas unproportioniert aus dem stückeigenen Rhythmus herauszuragen, besonders im Vergleich zu Rockys (Tobias Teschner) plötzlichem Abgang…
Über kurz oder lang wird das Stück immer schauriger und der Nebel immer dünner. Sehr unterhaltsam setzt Haninger dank spannendem Technikeinsatz einen Weltuntergang in Szene. Schauderhaft fatal endet Schobers „Dunkles Land“ – eine kurze Pause des Bestürzens über das Schicksal der Fünf ging dem kräftigen Applaus voraus.