Foto: Szene aus "WAST - WOHIN?" mit Arthur Brauss und Moritz Katzmair. © Bessermann
Text:Eva Maria Fischer, am 16. Juli 2012
Eine Kasperlpuppe ist das einzig Bunte in seinem Leben. Verwahrlost und verdreckt wälzt er sich im Staub, trägt eine Maske, weil er so „schiach“ sei. Wast, die Titelfigur des kritischen Volksstücks von Felix Mitterer, wird als hässlicher, gemeingefährlicher Irrer abgestempelt. Moritz Katzmair verleiht ihm die Würde, die er verdient.
Umsichtig haben der Regisseur Christoph Zauner und er sich in die Rolle eingearbeitet, haben heilpädagogische Einrichtungen besucht, Menschen mit Handicaps eindringlich studiert. Sie haben sich viel über Autismus angelesen, doch diese Informationsfülle allein kann nicht erklären, wieso im Zuschauerraum der magische Funke so überspringt. Es ist ja keine kluge Abhandlung daraus geworden, sondern ein zutiefst beeindruckendes Spiel, das zum Mitfühlen bewegt, zum Nachdenken, aber auch zum Schmunzeln. Katzmair ist so mutig, sich ganz in seine Rolle hineinzuversetzen, sich in den so anderen, begrenzten Kosmos hineinzuwagen, sich in den Rhythmus des Autisten hineinzuwiegen. Nie verrät er dabei seine schauspielerischen Mittel. Tierische Laute, epileptische Anfälle, Stolpern, Zaudern werden nicht ausgestellt, sondern ergeben sich organisch.
Mitterers Debütstück „Kein Platz für Idioten“ aus dem Jahr 1975, ursprünglich ein Hörspiel, wurde von Anfang an als Alibistück für die Studiobühnen bevorzugt. Die Darsteller, allen voran Katzmair, stemmen es jedoch auf der Luisenburg in Wunsiedel, der größten Naturbühne Deutschlands. Zauner arbeitet versiert mit dem weiten Raum; ein von Jörg Brombacher gestaltetes drehbares Pentagon schafft neue Zusammenhänge. Beleuchtbare ornamental eingefasste Glasquader können sowohl idyllische Momente hervorrufen, als auch Stacheldraht assoziieren lassen. Auf die Szenen, in der Mich dem unerfahrenen Wast die Welt zeigen will, legt sich warmes Licht.
So gelingt es, großes Kammerspiel abzuliefern. Dies liegt zum einen an der außergewöhnlich sensitiven Kraft aller Beteiligten, angefangen von Arthur Brauss, der Wasts Ziehvater mit bewegender Anteilnahme zeigt bis zu Katharina Schwägerl, die sich als Kellnerin Erika tapfer gegen die verlogene Gesellschaft auflehnen will. Zum anderen ließ sich Mitterer dazu bewegen, das Stück eigens für die Luisenburg-Festspiele zu überarbeiten. Aus dem kraftvollen, aber doch stellenweise skizzenhaften Erstlingswerk ist ein komplexes Netz von Beziehungen entstanden, da nun die Außenwelt hinzutritt. Aus Wasts Rabenmutter wird eine psychologisch fairer und genauer durchleuchtete Frau. Das Stück, das den Versuch zeigt, einen jungen, gesellschaftlich wenig konformen Mann aus der Gesellschaft zu eliminieren, fügt sich hervorragend in das Thema Ausgrenzung des diesjährigen Spielplans ein. Der Schluss, vormals zu sehr auf Betroffenheitsmasochismus hinzielend, bleibt jetzt offen: Kimmt da Frühling?“, will Wast wissen. Es liegt in der Hand jedes Zuschauers, wie er sich von nun an der Frage nach Integration Behinderter stellt.