Foto: Eine Szene aus der deutsch-malawischen Produktion "Welt 3.0 – Maschinerie Hilfe" am Theater Konstanz. © Ilja Mess
Text:Elisabeth Maier, am 12. Juni 2012
Als knallhartes Geschäft zeichnen die Regisseure Thokozani Kapiri und Clemens Bechtel Entwicklungshilfe. Mit Schauspielern aus Konstanz und Malawi haben sie die Collage „Welt 3.0 – Maschinerie Hilfe“ erarbeitet, die in der Spiegelhalle des Theaters Konstanz und in Afrika zu sehen ist. Die dreijährige Kooperation haben der Wanderlust-Fonds der Bundeskulturstiftung und das Goethe-Institut ermöglicht. Der Text, an dem Chefdramaturg Thomas Spieckermann und Misheck Mzumara mitarbeiteten, ist brillant recherchiert. Zum Stück mit politischem Tiefgang fehlt dem Dokumentartheater des malawisch-deutschen Regieteams dennoch einiges. Fakten und Schlagzeilen werfen Bechtel und Kapiri in den Schleudergang. Ihr Ansatz ist zu fahrig, als dass Wunden im Verhältnis zwischen Erster und Dritter Welt sichtbar werden könnten.
Dieses Manko bügeln die Schauspieler, die in beiden Ländern in Workshops zusammen gearbeitet haben, zumindest partiell aus. Neben Konstanzer Ensemblemitgliedern stehen Akteure des Nanzikambe Arts Center in Blantyre auf Till Kuhnerts Bühne. Eine Kiste mit dem Aufdruck „50 Kilo Mais“ und gekappte Stromanschlüsse spiegeln Zerfall. Die zauberhaft zerbrechliche Otooli Masanza genießt sexuelle Abenteuer mit dem Entwicklungshelfer, den Michael J. Müller als weltfremden Sozialwissenschaftler zeigt. Er verspricht ihr E-Mail-Kontakte und reist ab. Mit dem gemeinsamen Kind lässt er sie allein. Bitter ironisch kommentiert die Schauspielerin diese Ausbeutung. Ihr kalter Blick verrät subtil: eine Beziehung auf Augenhöhe wird es nie geben.
Die verhindert vor allem das Geld, das die umtriebige Projektmanagerin bündelweise an die Menschen im Dorf verteilt. Susi Wirths Figur scheitert an der Wirklichkeit der Schwarzen, für die sie und ihr Team eine Stromturbine bauen sollen. Ein überfahrenes Kleinkind kann sie mit ihren Scheinen ebenso wenig wegreden wie die Korruption, die Spendengelder frisst. Näher an der Realität ist da ihr Bauingenieur, den Thomas Ecke kantig und illusionslos porträtiert. Noah Bulambo lässt seinen Dorfvorsteher taktieren: Er schröpft die Entwicklungshelfer. Misheck Mzumara als Erzähler in afrikanischer Tradition schlägt klug Brücken zwischen den Sprachebenen Englisch, Deutsch und Chichewa, das Amtssprache in Malawi ist.
Diese klare Handlungsschleife lösen Bechtel und Kapiri mit einer schrillen Entwicklungshilfe-Revue. Statt ihr dramaturgisches Konzept stringent zu verfolgen, verzetteln sie sich mit Showelementen. Julia Philippis starke Stimme und ihre großartige Interpretation des Madonna-Songs „Like A Prayer“ trösten nicht darüber hinweg, dass die Regisseure den gesellschaftskritischen Plot damit aufweichen. Millionenschwere Adoptionen der Pop-Ikone in Malawi werden ebenso bemüht wie Karlheinz Böhms publikumswirksames Posieren mit afrikanischen Kindern. Solche postdramatische Sammelwut ist einfach nur platt.