Foto: "THE OPEN SQUARE" von Itzik Galili. © Bettina Stöß
Text:Hartmut Regitz, am 5. Juni 2012
Eine Szene wie in Béjarts ”Le Concours”? Mag sein, dass Michael Banzhaf daran erinnert und deshalb die Aufführung gleich wieder unterbricht. ”Wir alle sind doch Marionetten”, sagt er, das Mikrophon ergreifend, und meint damit nicht nur die Tänzer, die ziemlich verdutzt um ihn herum auf der Bühne stehen. Nein, auch jene Zuschauer dürfen sich in das Monitum mit einbezogen fühlen, die sich zuvor im Foyer von seinen Mitarbeitern haben ablichten lassen. Und er führt insofern den Beweis, als er eine “Armee der Puppen” aufmarschieren lässt, die sich ganz uniform gibt in aufgeplusterten Glitzertutus, unter denen später dunkle Luftballons hervorquellen. All das zu einer Allerweltsmusik der holländschen Percussionsgruppe Percossa, die schon in Stuttgart an Stücken wie ”Mono Lisa” und ”Hikarizatto” beteiligt war – hier allerdings interpretiert vom Orchester der Komischen Oper Berlin unter der Leitung von Alexander Vitlin, das dem Staatsballett Berlin ganz schön Beine macht. Immer wieder angetrieben auf der Bühnenschräge, kennt der Choreograf anfangs kein Erbarmen mit den Tänzern, und einer nach dem anderen schert aus, knickt ein, fällt aus der Reihe – so lange, bis ein Tänzer sich aus seinem Rollenspiel befreit, und ganz er selbst ist im fleischfarbenen Trikot: als Beispiel für alle.
”The Open Square” nennt Itzik Galili seine abendfüllende Kreation. Dabei greift er auf Bewegungsmaterial zurück, das er bereits in Werken wie ”Peeled” und ”Me” entwickelt hat – um, wie er im Programmheft seine “parodistische” Produktionsweise begründet, ein “modernes Kunstwerk” schaffen zu können, ”durch die Dekonstruktion und Rekonstruktion aller und neuer Ideen, durch die Verbindung von Paradoxien mit Humor, von reiner Abstraktion und individuellem Sinn”. Das mag zwar gut gemeint sein. Allein, nach dem ”Adagio” (mit einer alle überragenden Nadja Saidakova) hat man allerdings den Eindruck, als wären die Fäden seines “Marionettentheaters” gerissen und nichts mehr da, was die Szenenfolge im Inneren zusammenhalten könnte.
Völlig losgelöst, geben sich Elisa Carrillo Cabrera, Nadja Saidakova, Mikhail Kaniskin und Michael Banzhaf lustvoll locker und tanzen so, dass es einem Freude macht. Und auch alle anderen Ensemblemitglieder kommunizieren mit den Zuschauern auf Augenhöhe, deren Konterfeis sich für die Dauer der Aufführung auf der Bühne wiederfinden. Schließlich soll ”The Open Square” eine gute Stunde lang zu einer Art Begegnungsstätte werden zwischen dem ”Ego” der Tänzer und ”Es” des Publikums, um eine etwa gewagte These des Choreografen aufzugreifen. Und das gelingt zumindest zeitweise. Von einem “Kunstwerk” kann freilich keine Rede sein.