Foto: Nikolaus Benda, Ruth Marie Kröger, Ruth Sullivan in "Die Ringe des Saturn" in Köln. © Stephen Cummiskey
Text:Detlev Baur, am 22. Mai 2012
Inspiriert von einem Krankenhausaufenthalt beschrieb W.G. Sebald in „Die Ringe des Saturn“ seine Wanderreise im Sommer 1992 durch das verlassene Suffolk. Mittelalterliche Zentren sind längst ins Meer abgerutscht, glanzvolle Paläste und Bäder des ausgehenden 19. Jahrhunderts verfallen und Wissenschaftler aus Zeiten des Kalten Krieges von ihren Waffen-Forschungsstationen abgezogen. Die Beschreibungen von Orten und Landschaften sind verbunden mit assoziativen Gedankengängen auf die andere Seite des Kanals, nach Holland oder mit Bombern des 2. Weltkriegs nach Deutschland oder mit Joseph Conrad über Brüssel bis in den Kongo. Katie Mitchell hat sich in ihrer Theaterfassung dieser „englischen Wallfahrt“ jedoch ganz an die melancholischen Partien um Tod und Niedergang vor Ort gehalten. Indem sie den assoziativ-enzyklopädischen Aspekt des zunächst spröden Buchs weitgehend ausblendet, gibt sie Sebalds brillanten Untergangs-Diagnosen eine extrem depressive, da persönliche Note.
Die ist noch dadurch verstärkt, dass mit Juro Mikus in einem Hinterzimmer (das zuweilen über eine Schiebetür geöffnet und filmisch live gespiegelt wird) ein kranker Ich-Mann im Krankenhaus gezeigt wird. Ansonsten wirkt die Bühne in der Halle Kalk weit verfallener, als der Raum eigentlich ist. Drei Schauspieler (Nikolaus Benda, Ruth Maria Kröger und Julia Wieninger) sind genau wie zwei Musiker und drei weitere Geräuschhersteller in alte bäuerliche Gewänder gehüllt, auf einer insgesamt ganz retrogarden Bühne (Bühne und Kostüme: Lizzie Clachan). Neben dem Texteinsprechen entwickeln die Akteure auf der Vorderbühne diesmal kaum Live-Video-Bilder, vielmehr sind bis zu drei gleichzeitig auf die Rückwand projizierte Filme mit Standbildern der Landschaften oder (meist) historischen Filmen zu sehen. Diese Filme stammen aus einer vergangenen, schwarz-weißen aber in gewisser Weise sehr lebendigen Zeit. Das hingebungsvolle Spiel der Sprecher und Geräusch-Künstler bringt viele Aspekte des Textes zum Leben. Eine kongeniale Bühnenumsetzung wie bei der Virginia-Woolf-Variation von „The Waves“ aus dem letzten Jahr kommt aber nicht zu Stande. Aber früher war eben alles viel lebendiger und besser, nicht nur in Suffolk.