Foto: Ensembleszene aus "Der Trank der Unsterblichkeit" in Erfurt. © Lutz Edelhoff
Text:Ulrike Kolter, am 2. Mai 2012
Der Weg zur Unsterblichkeit führt durch eine Wüste aus dem Bilderbuch. Beige Fahnen bewegen sich wie Sanddünen, über kleinen Sandhaufen hängt eine Scheibe mit Wüstenszenario, durch das auch mal Zeichentrick-Kamele und „Camel“-Zigarettenschachteln purzeln. In diesem Ambiente (Austtattung: Robert Pflanz) spielt im Theater Erfurt eine Oper, die immerhin 204 Jahre auf ihre Uraufführung warten musste: E.T.A. Hoffmanns „Der Trank der Unsterblichkeit“. Die Handlung ist eigentlich minimal: Der reiche Namarand schlägt das Amt des Wesirs aus, weil er unbedingt unsterblich werden will. Der Schach von Persien, zunächst zornig, lässt ihm den Trank reichen und Narmarand scheint sein Ziel erreicht zu haben.
Dieses wenige Geschehen plustert nun Regisseur Peter P. Pachl zu einer Orient-Revue auf, die wohl auch europäische Phantasien widerspiegeln soll. Die Chorfrauen stecken mal in Harems-Kostümchen, mal in Burkas, wenn Mirza (Marisca Mulder) ihre unsterbliche Liebe zu Namarand (Uwe Stickert) besingt, macht sie Bauchtanzbewegungen. Den Schach schickt er auf Skiern in die Wüste und die unvermeidlichen Videobilder zeigen Babypuppenköpfe, aber auch bedrohliche Gesichter und Münder (Big brother is watching you). Und wenn Narmarand endlich seinen Trank aus einem goldenen Pokal mit Strohhalmen bekommt, dürfen auch alle Haremsdamen mal nippen – werden aber natürlich nicht unsterblich.
Diese Unentschiedenheit und Unsicherheit zwischen Ernstnehmen und Veralbern macht Pachls Inszenierung über weite Strecken ärgerlich. Aber zu dieser Indifferenz trägt auch die Musik E.T.A. Hoffmanns, der sich selbst wohl eher als Komponist denn als Dichter sah, bei. Denn er hat keine Oper durchkomponiert, sondern eine Ouvertüre und 18 weitere Musiknummern geschrieben. Zur Ouvertüre wird auf der Bühne stumm agiert, dann über weite Strecken gesprochen, besser deklamiert, währenddessen hat die Musik Pause oder darf nur kleine Akzente setzen. Hat die Musik den Hauptpart, herrscht auf der Bühne Stillstand, die Sängerdarsteller müssen ständig zwischen Singen und Deklamieren wechseln. So haben die überzeugend singenden Uwe Stickert (Narmarand), Marisca Mulder (Mirza) und Julia Neumann (Mandane) kaum eine Chance, wirkliche Charaktere zu entwickeln – zu einer Musik, die schon sehr nach Mozart, vor allem nach der „Zauberflöte“, klingt.
Und am Ende, wenn Narmarand erlebt hat, dass alle außer ihm altern (Haremsdamen mit Rollatoren) und der Enkel das Schachs ihn ins Gefängnis stecken will (das er aus Gehhilfen nachbaut), löst das mit Kalender-Weisheiten gespickte Libretto alles als Traum auf. Regisseur Pachl lässt trotzdem seine Mini-Rahmenhandlung zu Ende spielen, die eines heutigen Mannes, der in einen „Club of Persia“ gerät und den „Trank der Unsterblichkeit“ quasi als Bühnenshow erlebt hat. Nach zweieinhalb Stunden viel Beifall und kräftige Buhs für Pachl.