Foto: Jugendchor, Charlie Kedmenec (Mitte) und Gloria Rehm in "Border". © Matthias Baus
Text:Stefan Keim, am 23. April 2012
Endlich öffnen sich die Musiktheater ernsthaft einem jungen Publikum. Was die Schauspielhäuser seit langem erfolgreich vormachen, findet nun auch Einlass in den Spielplan der Opernhäuser. Aufwändige, von Profis liebevoll betreute, von Jugendlichen selbst entwickelte und gespielte Produktionen wie das Musical „Beats“ in Hagen. Oder eine gemeinsame Arbeit von Laiensängern und Opernensemble wie nun im Palladium, einer der regelmäßigen Spielstätten der Oper Köln. Ludger Vollmer, bekannt geworden durch die Opernfassung von Fatih Akins Film „Gegen die Wand“, hat diesmal ein Flüchtlingsdrama vertont.
„Border“ basiert lose auf der Tragödie „Die Kinder des Herakles“ von Euripides. Die mythischen Bezüge sind gestrichen, die Geschichte wirkt heutig. Nach dem politischen Mord an ihrem Vater sind drei Geschwister aus der Flucht. Sie suchen ein sicheres Exil, einen Ort, an dem sie eine Zukunft aufbauen können. Verfolgt werden sie von einem Geheimdienstchef, der nicht locker lässt. Die Struktur des antiken Schauspiels passt gut zu einer Oper, denn es gibt viele ariengeeignete Gedanken und Selbstbetrachtungen. Damit das Stück nicht zu steif wirkt, hat Regisseurin Elena Tzavara, die Leiterin der Kölner Kinderoper, neben den Opernsängern einen Jugendchor integriert. Der saust nun mit einer riesigen Energie über die Podeste, feiert an Anfang und Ende eine glaubwürdige Party, bringt viel Direktheit ins Spiel.
Ludger Vollmers Musik vereint rhythmisch-musicalartige Klänge mit einigen dissonant-dramatischen Zwischenspielen, eine ungebremst emotionale Partitur wie ein toller Kinosoundtrack. Fuad Ibrahimov findet am Pult des Gürzenich-Orchesters das richtige Maß, bringt die aufwühlenden Qualitäten zur Geltung, umschifft die Klippen des Kitsches. Die Hauptpartie der fliehenden Makaria hat Vollmer sehr anspruchsvoll komponiert – und in der jungen Sopranistin Gloria Rehm aus dem Kölner Opernstudio eine perfekte Besetzung gefunden. Sie hat die glitzernd-verführerische Geläufigkeit einer Soubrette und Kraft in dramatischer Höhe. Ausgezeichnet gestaltet ebenfalls der seit 50 Jahren im Kölner Ensemble singende Werner Sindemann als Iolaos, den fernen Freund, zu dem die Geschwister fliehen. Elena Tzavaras Inszenierung geht nicht an Schmerzgrenzen, bleibt in der Darstellung von Angst und Gewalt eher behutsam. Doch es ist ihr eine stimmige, packende Aufführung gelungen, unterhaltsam, griffig und auf hohem Niveau. Diese Jugendoper hat alle Chancen, oft nachgespielt zu werden.