Szene aus "Brundibar" in Gera.

Nett, und ohne Vernichtungslager

Hans Krása: Brundibár

Theater:Theater Altenburg Gera, Premiere:24.03.2012Autor(in) der Vorlage:Adolf HoffmeisterRegie:Cornelia PoppeMusikalische Leitung:Ueli Häsler

Ein Wecker tickt laut. Zwei Kinder lesen in ihren Betten. Abblende. Wieder Ticken. Der Junge jagt eine Fliege. Abblende. Ticken. Doch auch die nun folgende Kissenschlacht wirkt bedrückt und bedrückend. Warum, ahnt man, als der böse Stiefvater das Zimmerchen betritt. Das steht auf der Bühne am Park in Gera und so, fast stumm, beginnt hier Cornelia Poppes Inszenierung der Kinderoper „Brundibár“ von Hans Krása. Erst nach diesen düsteren, wie im Film auf- und abgeblendeten Szenen setzt die Musik ein.

Diese Kinderoper in zwei Akten mit dem Libretto von Adolf Hoffmeister ist kein „normales“ Stück Musiktheater. Hans Krása komponierte es 1938 in Prag, uraufgeführt wurde es 1941 heimlich in einem jüdischen Waisenhaus. Krása wurde 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert, wo er das Werk aus der Erinnerung neu aufschrieb und mit den Kindern des KZ einstudierte. Mehr als 55 Mal wurde „Brundibár“ dort aufgeführt, mit wechselnden Besetzungen, weil immer wieder Kinder ins Vernichtungslager deportiert wurden. Von all dem aber gibt es in Gera nicht mal eine Andeutung. Sie habe diese Geschichte bewußt weggelassen, erklärte Cornelia Poppe ihrem Publikum gleich nach der Premiere, sie habe einen aktuelleren Ansatz für heutige Kinder haben wollen.

Und so wird die düstere Zimmerkiste zu einem Marktplatz auseinandergezogen (Ausstattung Hilke Förster), auf dem sich Kuchen- und Eisverkäufer, Polizistin und Milchmann tummeln. Von ihm wollen Pepi´cek (Patricia Felsch) und Aninka (Annika Schlausch) Milch für die kranke Mutter kaufen, doch sie haben kein Geld. Als sie es sich mit Singen verdienen wollen, tritt Brundibár (Kai Wefer) dazwischen. Mit Keyboard, wildem Getanze und Gesang ist er der Platzhirsch auf dem Markt, die Geschwister werden verscheucht. Das inszeniert Cornelia Poppe ganz naturalistisch, die kleinen Darsteller aus dem Kinderchor von Theater&Philharmonie Thüringen spielen sowohl die Erwachsenen und als auch die Kinder dieses Markttreibens, Kai Wefer ist der einzige „große“ Darsteller unter den 19 Kindern. Und die neun Musiker des Philharmonischen Orchesters Altenburg-Gera, die ihren Platz in einer Box in den ersten Zuschauerreihe haben, spielen unter Leitung von Ueli Häsler sozusagen auf Zehenspitzen, damit die Kinderstimmen zu hören sind. Und sie bringen Krásas Klangfarben, mal auftrumpfend wie im Zirkus, mal melancholisch, mal gemütlich wie ein Tänzchen auf dem Lande, kräftig zum Blühen.

Währenddessen helfen eine Katze mit Irokesenfrisur, Spatz und Hund den Geschwistern, sich gegen Brundibár durchzusetzen und sich doch noch Geld und Milch für die Mutter zu ersingen. Zwar endet Cornelia Poppes 45-minütige Inszenierung dann wieder in dem düsteren Zimmerchen beim Stiefvater, wo sich Annika nun nicht mehr stumm fügt, sondern mit dem Fuß aufstampft. Doch dieses „Brundibár“ bleibt trotzdem, ohne den historischen Bezug, ein nur nett-niedliches Kinderstück mit dem „Gemeinsam sind wir stärker“-Schluss.