Foto: "Volpone" auf der Bühnen-Treppe des Schauspielhauses Bochum. © Thomas Aurin
Text:Elisa Giesecke, am 26. März 2012
„Worum geht es heute? Um Geld, Geld, Geld!“ Die große Gameshow ist eröffnet und ihr Moderator, der ausgebuffte Volpone (Matthias Redlhammer), stellt sofort klar: Menschlichkeit und Moral haben hier nichts zu suchen. Als schmieriger Entertainer im pelzbesetzten Ledermantel steht er cool posierend auf der großen Showtreppe: mächtig, geil, gierig. Jetzt strotzt er noch vor Kraft, doch gleich wird er täuschend echt den testamentlosen Kranken geben, um Erbschleicher anzulocken, an denen er sich wiederum bereichern will. Die Aasgeier, Voltore, Corvino und Corbaccio lassen nicht lange auf sich warten, sie sind mitten unter uns, im Publikum.
Regisseur Sebastian Nübling inszeniert Ben Jonsons 1606 nach der Fabel vom schlauen Fuchs geschriebenen Komödie als revueartigen Reigen, in dem Nummer auf Nummer folgt. Eine gigantische Showtreppe hat er bauen lassen (Bühne: Dominic Huber / Blendwerk), auf der die Figuren, getrieben von ihrer narzisstischen, maßlosen Gier nach Reichtum, Stufe um Stufe entlarvt und zu Karikaturen ihrer selbst degradiert werden. An vorderster Stelle Mosca, der zwar gerissener Gehilfe von Volpone, am Ende doch der gierigste von allen zu sein scheint. Tim Porath spielt ihn herrlich größenwahnsinnig („Ich bin ganz große Kunst“), die grenzenlose Selbstverliebtheit seiner Figur in wilden körperlichen Ausbrüchen, gleich einer surrenden Fliege (so sein Name), fast bis zum Irrsinn treibend. Der alternde Macho Corvino (toll: Michael Schütz) wirkt dagegen ziemlich plump, wenn er seine junge, hübsche Frau Celia mit Elton Johns schmalziger Ballade „Sorry seems to be the hardest word“ um den Finger zu wickeln versucht. Im rosa Geschenkkarton soll sie Volpone serviert werden, um ihn günstig zu stimmen. Maja Beckmann als auf High Heels stöckelndes Objekt der Begierde, verleiht ihrer Figur süßlich-naive Züge, die diese im Vergleich zur Riege der berechnenden Strauss-Kahn-Vertreter umso echter und menschlicher wirken lässt. Zugleich leidet sie am meisten unter der Situation, ein Spielball zu sein.
Es ist eine hässliche Geschichte, gerade weil sie an Aktualität nichts eingebüßt hat. Nübling inszeniert sie brillant mehrschichtig, lässt sein hervorragendes Ensemble sämtliche Register des Artifiziellen ziehen und setzt noch einen drauf, wenn er die Bühnen in den Zuschauerraum hinein öffnet, quasi hinein greift ins reale Leben und sich die Figuren von dort holt. Die Grenze zwischen Spiel und Wirklichkeit werden verwischt, schließlich weiß keiner mehr, wem er trauen kann. Selbst Volpone, der sich für den Schlausten hielt, wird doch noch von Mosca überfuchst. Der überlebt das nicht – ach, doch, es ist ja nur ein Spiel. Oder nicht?