Foto: Simon Bauer und Nils Kahnwald in der Spiderman-Variation am Badischen Staatstheater Karlsruhe. © Felix Grünschloss
Text:Elisabeth Maier, am 22. März 2012
Mit seinem melancholisch verklärten Blick berührt Hollywood-Star Tobey Ma-guire in den „Spiderman“-Filmen eine ganze Generation. „I don’t wanna die watching Spiderman 3“ nennt der 28-jährige Regisseur Antú Romero Nunes sein rasantes Action-Theater, das er jetzt auf der Studiobühne des Staatstheaters Karlsruhe zeigt. Der Grundgedanke ist schräg: Ein Fluggast quält sich mit Hor-rorvisionen vom Absturz und hat Angst, dass „Spiderman“ das letzte sein wird, was er in seinem Leben sieht. Mit seinen ehemaligen Studienkollegen von der Berliner Ernst-Busch-Schule, Simon Bauer und Nils Kahnwald, zertrümmert Nunes Medienmythen. Seit 2008 entwickelt das Trio die Performance an wech-selnden Bühnen weiter. Maguire gibt der schrägen Comic-Figur Peter Parker, die eines Tages im Uni-Labor von einer radioaktiven Spinne gebissen und damit zum Action-Helden wird, ein verführerisches Gesicht. Die jungen Theaterma-cher reißen der Filmikone die Maske vom Gesicht.
Mit romantischen Videosequenzen schafft der Regisseur Bezüge zu dem Strei-fen, der verschüttete Gefühle seiner Generation auf die Leinwand bringt. Als Peter Parker, von seinen Kommilitonen als verkopfter Nerd verspottet, mit sei-ner Angebeteten Mary Jane im Spinnennetz liegt und den Wolken nachschaut, lässt Nunes auch die beiden Schauspieler von der Liebe träumen. Aber Nils Kahnwalds plumpe Versuche, die emotionalen Leerstellen mit tiefen Blicken in die Augen beliebiger Zuschauer zu füllen, verpufft.
Als Hausregisseur am Berliner Gorki-Theater zählt Nunes längst zu den ganz bekannten Namen seiner Generation. 2010 wurde er bei der Kritikerumfrage der Zeitschrift „Theater heute“ zum Nachwuchsregisseur 2010 gewählt. Sein „Spi-derman“-Projekt, mit dem er bei Gastspielen in Deutschland und Frankreich Fu-rore machte, zeigt Nunes besondere Qualität, nackte Gefühle hinter der Fassade des Worts herauszukitzeln. Wenn Simon Bauer erzählt, wie seine Freundin stets das richtige Zitronen-Joghurt für ihn auswählt, ist das mehr als trendiges Bezie-hungsgeplänkel. Hinter vermeintlicher Harmonie lauern enttäuschte Illusionen.
In Nunes’ leerem Bühnenraum wird die schwarze Gummispinne zum wichtigs-ten Requisit. Sie steht für die Ängste junger Menschen, deren tiefste Gefühle in der Medienmaschinerie zermahlen werden. Drehbuchgerecht gedrechselte Sätze plappern Kahnwald und Bauer so einsilbig nach, als kämen sie vom DVD-Player. Dass sie Satz- und Wortfetzen unbedacht reproduzieren, passt ins Bild. Klug distanzieren sich die Schauspieler von den Figuren. So fördern sie deren Ängste zu Tage – ebenso wie die Lügen, die sie am Leben erhalten. Manchmal verheddert sich Nunes’ dynamische Performance in trockener Theorie. Das schwächt sein wunderbares Gespür für das Komische. In der Karlsruher „Spi-derman“-Neuauflage lachte das Publikum viel und spontan. Der gierige Griff in den Zitatenschatz der Medientheorie wirkt da höchst aufgesetzt.