Foto: „Großstadt-Triptychon“ – ein Abend inszeniert und choreografiert von Bridget Breiner. © Pedro Malinowski
Text:Marieluise Jeitschko, am 16. Januar 2012
Ausgelassen und frivol tanzten die Reichen und die Schönen zum Salonorchester- und Big Band-Sound. Ganz leise machte sich nebenan „die Hölle Moloch“ breit. Otto Dix fing das Laute und das Leise der 1920er auf seinem „Großstadt-Triptychon“ ein, entstanden 1927/28.
Das Musiktheater im Revier übernahm den Bildtitel und das Flair für die Inszenierung von drei Kurzopern der Ära, Stefan Wolpes Musikalische Groteske „Zeus und Elida“ (1928) als szenische Uraufführung, Edmund Nicks Lyrische Suite „Leben in dieser Zeit“ (1929) auf Gedichte des sehr jungen Erich Kästner und Brecht/Weills gesellschaftskritisches „Mahagonny-Songspiel“ (1927). Welche Fundgrube fürs Theater! Welch‘ ein Leckerbissen für Musiker und Tänzer wie auch für das Publikum! Regie führt die Tänzer-Choreografin Bridget Breiner. Sie lässt ihrer Vorliebe fürs Musical souverän freien Lauf und mischt unter das authentisch kostümierte, wunderbar mit-swingende Sängervolk die Tänzer des bisherigen „Ballett Schindowski“, das sie als „Ballett im Revier“ von der nächsten Saison an in anderer Zusammensetzung leiten wird.
Für Wolpe (1902 in Berlin geboren, 1972 in New York gestorben), einen der Letzten der Zweiten Wiener Schule, hat in Amerika eine Renaissance begonnen. In seiner Groteske verbergen sich unter zwölftönendem Chaos kabarettistische Facetten, Tänze von Walzer bis Tango und Jazz-Rhythmen. Das ist keine leichte Kost für die Ohren, aber durchaus heiterer Augenschmaus: auf dem Potsdamer Platz beginnt der greise Göttervater Zeus (Tomas Möwes), auf der Suche nach der schönen Europa, mit dem Kosmetik-Model Elida (Alfia Kamalova) ein Techtelmechtel. Lyrischer geht’s weiter. „Herr Schmidt“ Lars-Oliver Rühl und „Chansonette“ Christa Platzer besingen elegisch den Alltag der Armen und ebenso perfekt anschließend die berühmten Weill-Songs. Die zarte Ballerina Alina Köppen schwebt als Europa durch die Szenen – und hat als verfremdeter „Sterbender Schwan“ das letzte „Wort“ an diesem eindrucksvollen Theaterabend. Wie aktuell diese Raritäten aus der Musikgeschichte sind, muss man nicht lange hinterfragen.