Foto: Silvester-Neuinszenierung der „Fledermaus“ am Pforzheimer Stadttheater. © Sabine Haymann
Text:Eckehard Uhlig, am 3. Januar 2012
Zu Silvester will sich das festlich gestimmte Theaterpublikum durch Lachen entlasten. Also bitte keine Finanzkrisen-„Fledermaus“, obwohl die Johann Strauß-Operette 1874 bei ihrer Uraufführung in Wien auch als hintergründige Antwort auf eine frühe Kapitalismus-Krise und als Abgesang auf die gesellschaftlichen Zustände in der brüchig gewordenen K.-und K-Monarchie gedeutet wurde. Die Neuinszenierung der „Fledermaus“ am Pforzheimer Stadttheater, die Operndirektor Wolf Widder als Regisseur besorgte, entspricht denn auch voll und ganz gutbürgerlichen Erwartungen: Handwerklich solide gemachtes, politisch harmloses, musikalisch in Champagner-Laune versetzendes, wienerisch sentimentales Musiktheater.
Hörens- und sehenswert erneut die junge Sopranistin Elif Aytekin, der das SWR-Fernsehen erst kürzlich ein Feature widmete und die auf der Liste mehrerer Vermittlungsagenturen für Opern-Jungtalente stehen soll. Ihre Adele ist erfrischend schnippisch, die spielerische und gesangliche Ausgestaltung des spöttisch-kecken Liedchens „Mein Herr Marquis“ (im 2.Akt) und der Ariette „Spiel ich die Unschuld vom Lande“ (im 3.Akt) ein Augen- und Ohrenschmaus, an Soubretten-Bravour kaum zu überbieten. Auch Katja Bördners Rosalinde und ungarische Gräfin besitzt beachtliche Statur. Ihr Csárdás „Klänge der Heimat“ (im 2.Akt) sprüht Feuer und Leidenschaft. Ordentlich schlagen sich Markus Francke als Eisenstein, Axel Humbert als Gefängnisdirektor Frank und Aykan Aydin als Notar Dr. Falke. Hölzern flach und laut absolviert der Tenor Alessandro Rinelli den Part des Gesangslehrers und Frauenverführers Alfred. Lilian Huynen, die eigentlich als strahlender Prinz Orlofsky den Maitre de Plaisir der rauschenden Ballnacht zu geben hätte, verspielt ihre Hosenrolle als putziger Gnom. Fredi Noel müht sich redlich, in der komischen Sprechrolle des Gefängnisdieners Frosch den großen Vorbildern (wie Hans Moser, Attila Hörbiger oder Helmut Lohner) auch mit extemporierten Politiker-Witzchen nachzueifern. Die klassisch-weiße Ballett-Einlage demonstriert, dass der Spitzentanz nicht unbedingt zu den Paradedisziplinen der kleinen Pforzheimer Tanztruppe zählt.
Generalmusikdirektor Markus Huber hat seine Badische Philharmonie Pforzheim, mit der er in der Ouvertüre die zweimalige Darstellung des großen Walzermotivs besonders schön herausarbeitet, aber auch die Chöre in den Massenszenen mit tänzerischem Schwung gut im Griff. Die Bühnen-Ausstattung (Sibylle Schmalbrock) ist weniger erfreulich: Scheußlich braune Paneel-Verschläge und billig auf Planken-Wände aufgeklebte Silhouetten zeugen vom Sparzwang an unseren Stadttheatern.