Foto: Convenienze: Massimo Cavaletti. © Hans Jörg Michel
Text:Tobias Gerosa, am 28. Dezember 2011
Das Opernhaus Zürich versucht den heiteren Jahresausklang mit „Le convenienze ed inconvenienze teatrali“ und „Pazzi per progetto“, zwei einaktigen Farcen von Gaetano Donizetti. Das gelingt nur teilweise – und es liegt nur zum Teil an den Stücken.
Gaetano Donizetti schrieb hunderte von Werken, überlebt hat eine Handvoll. Hört man beispielsweise seine beiden Farcen „Le convenienze ed inconvenienze teatrali“ und „Pazzi per progetto“, versteht man rasch, warum: Gelegenheitsware, aus dem Formenbaukasten des Belcanto zusammengesetzt. Sie wieder auszugraben, braucht es etwas wie einen Grund. Fürs Opernhaus Zürich heißt der Martin Kusej. Der Regisseur hat auch hier in den letzten Jahren mehrfach brillante und kontroverse Inszenierungen gezeigt. Könnte dieser Spezialist für Abgründe auch diese beiden Komödien fürs Heute interessant machen? Vielleicht, kann man nach der Premiere vom Dienstag sagen.
Es beginnt locker, wüsste man es nicht besser, glaubte man sich in einer Probe. Das Orchester im Freizeitlook, auf der leeren Bühne ein Gewusel um den Kaffeeautomaten. Der Dirigent erscheint ohne Auftrittsritual im T-Shirt. Paolo Carignani macht mit den ersten Takten der Einleitung jedoch klar, dass dieser knackige Zugriff nicht ab Blatt gespielt entstanden sein kann. Doch die Bühne macht voll auf Probe mit einem bunten Sammelsurium von Eitelkeiten und Konfliktchen, wie sie im Theateralltag üblich, aber fürs Publikum (hoffentlich) nicht sichtbar sind. Darum geht es in der Farce von 1827, bis die „Mamma“ der Seconda Donna auftaucht und alles noch mehr durcheinander bringt.
„Viva la Mamma“ hat Donizetti das später überarbeitete Stück umbenannt, durchaus zu recht, ist diese „Mamm’Agata“ doch eine Paradepartie für einen Bassbuffo. Heide Kastler hat den spielfreudigen Anton Scharinger mit Netzstrümpfen und Cowboy-Ausrüstung androgyn ausgestattet: Mehr Zuhälter-Agent denn Mutter, was der Bedeutung emtspricht. Nun wird’s sehr turbulent und auch rasch sehr laut. Und genauso rasch fragt man sich, wo Kusejs Genauigkeit geblieben ist: Convenienze der Buffo-Oper, ist man versucht zu sagen, was sicherlich auch am uneingespielten Ensemble vorwiegend aus Gästen liegt. Das könnte in Stuttgart, wo Kusej diese Doppelinszenierung 2001 erstmals herausgebracht hatte, durchaus besser aufgegangen sein.
Immerhin wird nach der Pause außer dem Stück fast alles besser (auch die Kleidung der Musiker und Martin Zehetgrubers viebrockende Bühne). Wenn sich diese „Pazzi per progetto“ („Die Irren aus Vorsatz“) nicht so zäh dehnen würden, könnte man seinen Spass daran haben. Wieviel besser sind die Figuren in diesem Irrenhausstück gezeichnet, wieviel interessanter spielt dieses Ensemble: War die Probenzeit zu kurz für beide Teile, war zuviel an Assistenten delegiert („szensiche Mitarbeit“ nennt’s der Besetzungszettel)? Dabei ist das 1830 herausgekommene Stück um ein Paar, das seine Ehe durch gegenseitig vorgespielten Wahnsinn rettet, in seiner Nummernabfolge konventioneller gearbeitete als das vorangegangene Ensemble-Stück. Dank Sängerdarstellern wie Cheyne Davidson, Katharina Peetz, Ruben Drole (an und teilweise über der komödiantischen Schmierengrenze) und vor allem Eva Liebau als so kecker wie überlegen gestaltender Norina gelingt es jetzt, ein Beziehungsnetz voller Fallgruben zu zeigen. Das Blackout vor dem Happy End und das musiklose Zurücksuchen ins Stück schaffen dann jenes Verstörungspotential, das Kusej sonst auszeichnet und das diese Gelegenheitsstücke lohnend macht(e).