Foto: Pius Maria Cüppers als ambivalenter Entertainer in "Event" © Marion Bührle
Text:Dieter Stoll, am 14. November 2011
Die große Bühne ist leer, aber „der Mann“ lässt sich davon nicht einschüchtern. Schließlich ist der Scheinwerfer auf ihn gerichtet, was jeder Poet „von Licht übergossen“ nennt, und er kann darauf bauen, das Gewaltmonopol des Abends zu haben. Was er anschafft, wird gemacht. Allerdings wurde auch ihm angeschafft und er steht vor „fremden Menschen“, die durch Zufall und Werbung hergeführt wurden. Ihnen rät er schon vor dem ersten vernünftigen Satz: „Mögen Sie schlussfolgern, was immer Sie wollen!“ Der Mann ist Schauspieler und die Fremden sind das Publikum in John Clancys süffisantem Nabelschau-Solo „Event“, das nach der New Yorker Uraufführung von 2010 kurzfristig als deutschsprachige Erstaufführung in den Nürnberger Spielplan eingefädelt wurde. Für den inszenierenden Schauspieldirektor Klaus Kusenberg, dem nach wie vor gläubigen Anhänger des angloamerikanischen Denkspiel-Entertainments, ein gefundenes Fressen – zumal er mit Pius Maria Cüppers die passende Komödianten-Besetzung hat.
Der Mann ist keineswegs der Schauspieler, eher der Mediator zwischen dem Akteur und seinen Zuschauern, denen er gerne mal mit viel Mitleid in der Stimme sagt, wie lange die Vorstellung noch dauern wird. Er erzählt in der dritten Person, was da an der Rampe passiert. Na ja, eigentlich passiert gar nichts, denn das „Ereignis“ wird gnadenlos entmystifiziert, ehe es eins werden könnte. Der Darsteller: nur Nachahmer. Sein Lächeln: könnte Regie sein. Seine Gedanken: sind ausgeliehen. Sein Handwerk: Text reden und aufs nächste Stichwort warten. Aber wer gibt bei einem Solo das Stichwort? Der Mann beschreibt akute Gefühle des Publikums: „Die Hoffnung, unterhalten zu werden, gerät gerade ins Wanken“.
Muss sie nicht, denn auf der überquellenden Ironie von Autor John Clancy schwimmt ein Spott-Light neben dem andern. Da wird der Theaterschlaf mit „La-Le-Lu“ gefördert, die Technik des Witze-Erzählens enthüllt und jener Zeit gedacht, als es im Fernsehen noch Sendeschluss gab. Dann wütet der Mann wie Rumpelstilzchen über die Leere in unserem Leben und schildert den Schauspieler, der „zusieht, wie er sich selbst nacherzählt Abend für Abend“. Wenn er den Faden verliert – war es „der Mann“ oder „der Schauspieler“? – stellt er klar: „Alles probiert, verbessert und abgesegnet“. Pius Maria Cüppers ist in Hochform, wenn er die Grenzen zwischen Erzähler und Spieler verwischt, in raffiniert beiläufigen Andeutungen von Körpersprache die eigenen Monologe kommentiert und nach Ratschluss des Autors die ganze Welt in die Kantinen-Depression des Künstlers einbezieht: „Wir sind alle wie gute Schauspieler in einem sehr schlechten Stück“.
Das Stück „Event“ ist nicht schlecht, denn es bietet sich auch für rabiatere Deutungen als bei der sanftmütig geglückten Nürnberger Deutschland-Premiere an. Klaus Kusenberg und Pius Maria Cüppers wollten keinen Blickkontakt zu den Schimpf-Tiraden von Thomas Bernhard oder René Pollesch, lieber die heimliche Nähe zu Süskinds „Kontrabass“. So schnappt die Aufführung immer wieder, beißt aber nicht zu. Am Ende darf der „Mann“ zaubern. Warum? Weil der Darsteller es kann! Die „Fremden“ haben übrigens begeistert applaudiert