Foto: Monti (Johannes Simons) und Gloria (Amélie Miloy) in Brigos munterer neuer Wirtschafts-Wahn-Welt. Eine Szene aus "Verkäufer" in Wilhelmshaven. © Volker Beinhorn
Text:Detlev Baur, am 2. November 2011
Geschäftsführer des Unternehmens für Reinigungsprodukte ist ein Deutscher. Sein Humor ist, wie sich sein Verkaufsdirektor ausdrückt „asymptomatisch“. Im selben Gespräch wird Cozza noch entlassen – kein Scherz. Und dabei hatte er wenige Minuten zuvor seinen verdienten „Kuschelbär“-Verkäufer Brigo selbst in die berufliche Wüste geschickt. In Edoardo Erbas Stück „Verkäufer“ wird die brutale Welt des Gewinne-Machen-Müssens von Anfang an nicht nur als hohl, sondern auch als ziemlich verrrückt dargestellt. Im Grunde sind die harten Herren (es gibt noch den Supermarktleiter Monti) sowie Brigos Gattin Gloria und die drogenabhängige Tramperin Chiara von Anfang an Typen aus einer Commedia des Kapitalismus. Der Problemfaktor Mensch in diesem System ist heute so aktuell wie in den 1990er Jahren, als das Stück uraufgeführt wurde. Nun, bei seiner deutschsprachigen Erstaufführung an der Landesbühne Niedersachsen Nord in Wilhelmshaven, haben die deutsch-italienischen Spitzen über Humor und das richtige Wirtschaften einen besonderen eurofiskalischen Reiz.
Das seltsame Stück stellt für die Regie keine kleine Herausforderung dar, weil es einerseits die sechs Figuren recht genau beschreibt, sie aber andererseits sogleich verzerrt. Regisseur Jan Steinbach und das sehr geschlossen agierende Ensemble finden auf der großen Bühne des Theaters von Anfang an das richtige, rasche Tempo und das rechte Verhältnis zu den Gestalten. Die sechs Darsteller nehmen die Selbst-Verkäufer ernst, geben ihnen ein Profil und lassen bei aller Absurdität hinter der Fassade auch Menschliches erahnen. Die Inszenierung schafft ein gründliches deutsches Fundament, das jedoch mit einer fast südländischen spielerischen Leichtigkeit entwickelt wird. Das so wichtige Tennismatch Cozzis, bei dem er nebenbei am Telefon Monti missversteht, wird da lediglich als Computerspielerei angedeutet.
Frank Alberts abstrakte Bühne aus grauen Säulen und Bausteinen bietet für die präzise und leichthändige Spielweise die passende Spielfläche; hinter einem Gaze-Vorhang, der zuweilen mit Live-Film-Projektionen beleuchtet wird, begleiten die jeweils inaktiven Mitspieler die Szenen. Und kommen im Schlussteil ganz auf die Vorderbühne. Nachdem Brigo einige Pillen aus Chiaras Täschchen geschluckt hatte, entwickelt sich das Geld-Macht-Spiel nämlich in ungeahnte neue Bahnen. Der Firmenchef wird von der Tramperin als wählerischer Kundin entmachtet; und Brigo schüttelt schließlich – im Wahn oder in Wirklichkeit – seine wirtschaftlichen und ehelichen Zwänge ab und erkennt endlich, dass er selbst das eigentliche Produkt ist. Im Unterwäschen-Chor präsentieren die Akteure im Finale diese schrägen Erkenntnisse dem sichtlich angeregten Publikum.