Foto: Dominique Horwitz und Benno Lehmann malen zügig "Rot" im Berliner Renaissance Theater. © Braun/drama-berlin.de
Text:Barbara Behrendt, am 2. November 2011
Hat hier jemand die „Fast Forward“-Taste gedrückt? Dominique Horwitz und Benno Lehmann rasen durch das Zweimannstück „Rot“, als hätten sie gewettet, wer zuerst zurück in der Garderobe ist. Diskutieren, pinseln, kämpfen, sich versöhnen – all das passiert wie im zu schnell durchgeblätterten Daumenkino: kurz angesetzt, schon war’s vorbei. Und wie das so ist beim Schnelldurchlauf, wo die gleiche verzerrte Mickey-Mouse-Stimme jeden Satz fiept, so klingt auch in der neunzigminütigen Inszenierung nur ein Ton an: forte. Und das bei einem Künstlerdrama, das sich mit dem Leben und Werk von Mark Rothko beschäftigt – dem Maler des Abstrakten Expressionismus, dem Einfühlung, Stille, Kontemplation alles bedeuteten.
Nun muss man zugeben, dass die Stärken dieses Stücks des US-Amerikaners John Logan sowieso nicht in der genauen Differenzierung liegen: Schwarz und weiß sind die Farben, Pop-Art steht gegen Farbfeldmalerei, Gegenwart gegen Vergangenheit, der junge Assistent Rothkos (Benno Lehmann) gegen Rothko selbst (Dominique Horwitz). Eigentlich versteht man bei Logan sofort, was mit dem dionysischen und was mit dem apollinischen Prinzip gemeint ist, die hier konfrontiert sind – doch im gehetzten Schreien der Schauspieler geht auch das ziemlich unter.
Man kann mit Logans Well-Made-Play um den menschenscheuen Rothko und seinen unbedarften Assistenten einen Broadway-Erfolg landen, das hat das Stück vergangenes Jahr in New York bewiesen. Wie sich die beiden in Rothkos schwarze und rote Flächen vertiefen, wie sich der junge Künstler vom alten emanzipiert, als seien sie Vater und Sohn, das kann man vor Rothkos Bildern, inmitten von Farbeimern schön entfalten. Dafür braucht es nur hervorragende Schauspieler, deren Figuren sich entwickeln können, die Schmerzen und Tiefe zeigen. Doch Regisseur Torsten Fischer lässt seinen Darstellern bei der deutschsprachigen Erstaufführung keine Sekunde des Nachdenkens, des Zweifelns. „Das glaube ich ihnen nicht!“ schreit der Assistent seinen Meister an – aber dermaßen aus der Pistole geschossen, dass man sich fragt, ob er überhaupt zugehört hat. Wie dieser Milchbubi es am Ende geschafft haben will, Rothko davon abzuhalten, seine berühmten Seagram-Bilder wie vereinbart im „Four Seasons Restaurant“ aufzuhängen, ist schwer nachvollziehbar. Dominique Horwitz dagegen gibt zwar einen starken Wüterich – aber Zwischentöne findet auch er kaum. „Stille ist so gut“, zitiert das Programmheft Rothko. Ein wenig von diesem Geist hätte man sich auch auf der Bühne gewünscht.