Foto: Eine flotte Zeitrevue: "Das steinerne Brautbett" am Staatschauspiel Dresden. © David Baltzer
Text:Joachim Lange, am 4. Oktober 2011
In seinem Roman „Das steinerne Brautbett“ verarbeitet Harry Mulisch (1927-2010) nach einem Dresden Besuch 1956 die Zerstörung der Stadt in der Bombennacht vom 13. Februar 1945. Burgtheater-Regisseur Stefan Bachmann hat daraus jetzt eine Bühnenversion gemacht und als Dresden Debüt inszeniert.
Der ehemalige US-Navy-Pilot Norman Corinth (der gebürtige Wiener Wolfgang Michalek spielt ihn mit Ami-Klischee) war an der Bombenacht beteiligt und kehrt 1956 als Teilnehmer eines Zahnärzte-Kongresses nach Dresden zurück; hat eine Affäre mit der Übersetzerin Hella (deren blonde Linientreue, dem erotischen Appetit nichts anhaben kann); trifft Augenzeugen, ja Opfer seiner Einsätze; wird mit den fremden und eigenen Erinnerungen und den Bilder, die jeder von sich selbst hat, konfrontiert. Die theatertaugliche Bühnenfassung (an der auch Felicitas Zürcher beteiligt war) bleibt dicht an der Vorlage, überzeugt mit ihrer Mischung aus szenischem Dialogwitz, berichtendem oder philosophierendem Monolog, Chorpassagen und Erzählerinnen-Stimme. Dazu findet Bachmann überzeugende Bilder der Erinnerung und eine denkoffene Haltung zum inneren oder ausgetragenen Diskurs, um persönliche Beteiligung und die moralischen Folgekosten des Krieges auf beiden Seiten.
Es beginnt als flotte Zeitrevue mit entsprechenden 50er Jahre Rhythmen, in die Norman, wie aus dem Flugzeug, hineinspringt. Man wohnt auf einem Baugerüst mit Aussicht in die Vergangenheit und die Gegenwart. Man fährt mit Chauffeur (auf Sesseln im Als-Ob Wagen) durch projizierte Foto-Negative von Ruinen Landschaften. Spielt ein bisschen offizielle DDR. Oder inoffizielle Dresdner Nörgler vom noblen Elbhang-Viertel aus, das der Feuersturm so wenig erreichte, wie die Indoktrination der neuen Gesellschaft. Diese Begegnungen mit der Vergangenheit und sich selbst funktionieren, weil es nicht um Schuldzuweisungen geht, sondern um das Verhängnis der Verhältnisse. Und, weil Bachmann genau die Melange aus alptraumhafter Groteske und szenischem Slapstick findet, die Erinnerung ohne Pathos, Vergegenwärtigung ohne didaktische Überdosis ermöglicht. Es gibt kein Lachen über das Grauen selbst, wohl aber über die Blüten, die der Umgang mit der eigenen Vergangenheit mitunter treibt. Wunderbar die Kabinettstücke, die Stefko Hanushevsky als Chauffeur Günther mit seinem hochschnipsenden rechten Arm, der Imitation von Chaplins Großem Diktator oder als Engelchen zu Füßen der Sixtinischen Madonna liefert. Oder wie Torsten Ranft die wahre Identität des zackigen Herrn Schneiderhahn in der Schwebe lässt.
Am Ende entkommt auch Norman der inneren Zerstörung nicht und die große Katastrophe wiederholt sich als Unfähigkeit zur Liebe im Kleinen. Und im Widerschein des Feuers eines explodierten Wagens, scheinen im Schlussbild alle Katastrophen aller Zeiten auf. Viel Beifall ohne falsche Betroffenheit.