Foto: Im Netz: Eine Szene aus Holger Schobers "Aus der Traum" am Theater der Jungen Welt Leipzig. © Tom Schulze
Text:Manfred Jahnke, am 19. September 2011
Seit zehn Jahren leitet Jürgen Zielinski das Theater der Jungen Welt in Leipzig – und wird es weitere fünf Jahre bis 2017 tun. Als Einstand in sein zehntes Jahr inszeniert er nun eine Auftragsarbeit an den derzeit vielbeschäftigten Jugendtheaterautor Holger Schober. Angeregt durch das Buch von Sebastian Deisler, der seine vielversprechende Fußballkarriere wegen schwerer Depressionen („burning-out“) abbrechen musste, wird in „Aus der Traum!“ die Geschichte des 22-jährigen Jungnationalspielers Malte Kreuzfeld erzählt, der seit der Entwurzelung von seinem Heimatort Unterdöbeln zunehmend sich wie eine leere Hülle empfindet. Wenn einst das Spiel für ihn war, als ob Mozart komponierte, und damit seine genialen Pässe ausführen konnte, hat er nun alle Fertigkeiten verloren.
Zu einem Benefizspiel ist er in seine alte Heimat zurückgekehrt. In der Begegnung mit alten Freunden und vor allen Dingen seiner Liebe Karin beginnt er langsam seine Krankheit zu durchschauen und zu ihr zu stehen. Allerdings will Schober viel erzählen, vom Geschäft im Fußball, vom Flitzer Karl, von den Träumen des siebzehnjährigen Björn, der sich ebenfalls auf eine große Karriere vorbereitet. Die Geschichten durchkreuzen und verselbständigen sich. Zielinski hat für seine Uraufführungsinszenierung die Handlung gestrafft und parabelhaft verdichtet: „Aus der Traum!“ kann da durchaus als eine Geschichte der Entwurzelung gelesen werden, als ein schweres Erwachen eines Kandidaten aus „Deutschland sucht den Superstar“. Im halbrunden Raum von Fabian Gold, der über diesen im Hintergrund eine weitere Spielebene hat, auf der die Beobachter der Szene, Pressemenschen, Manager und Luder ihr Unwesen treiben, und dem Schlagzeuger Clemens Litschko, entwickelt Zielinski starke Bilder. Gerade das Schlagzeug treibt die Handlung stetig voran. Mit „Slow-Motion“ und „Freeze“ wird die Geschichte eines ganzen Fußballspiels erzählt, mit Video und überzeugender Lichtgestaltung entstehen Szenen von starker Emotionalität. Schnelle Wechsel und der vom Schlagzeug (Komposition: Michael Rodach) vorgegebene Rhythmus ermöglichen ein rasantes Spiel mit einem überzeugenden Ensemble.
Martin Klemm spielt in einer Mischung aus Aggressivität und vorgeführter Coolness den Malte Kreuzfeld, bis er sich zur Wahrheit entschließt und ganz weich und durchlässig wird. Sein einstiger Freund Freddy wird von Sven Reese verkörpert, der seine Männlichkeit in aggressiv hervorgestoßenen Sätzen zu verhüllen versucht. Karin, die einstige Freundin von Malte und jetzt von Freddy schwanger, wird von Elisabeth Fues in einer Schwebe von Traurigkeit und Mutmachen gehalten, eine verpasste Chance und die Entscheidung bei Freddy zu bleiben. Wie überhaupt die Frauen in diesem Stück alle vor der Frage stehen, was denn Liebe ist, bis hin zum Boxenluder Jacky, bei der Anna-Lena Zühlke alle Klischees über Boxenluder übererfüllt und dabei doch etwas von der Angst hinter dieser Maske zeigt.
Dieses Stück für Menschen ab 15 Jahren entstand übrigens als Koproduktion mit Bayer Kultur in Leverkusen und kann dort dann ab Mai 2012 gesehen werden.