Text:Ulrike Lehmann, am 3. Mai 2011
Dieser Abend oszilliert zwischen zwei Formen der Resignation: Das Akzeptieren der Verhältnisse aus Bequemlichkeit („Lass uns einfach alles so lassen, wie es ist/Es ist zu kompliziert, das jetzt alles zu ändern…“) und der Erkenntnis, dass selbst ein Begreifen des und Eingreifen ins System nichts nützte („Wenn ich gehen würde, würde es nichts ändern“). Die Konsequenz für Regisseur Falk Richter und Choreografin Anouk van Dijk in ihrem Schaubühnenprojekt „Trust“ ist die anstrengende Zustandsbeschreibung einer Generation, die in den Ersatzbefriedigungen des Finanzkapitalismus den Boden verloren hat. Das Grundgerüst menschlichen Empfindens ist zerbröselt, und so lümmelt man zwischen den Geschäften dahin in amputiertem Sozialleben und innerer Zerrissenheit: „Ich bin wie Geld, scheu, und werde jeden Tag neu bewertet.“
Die dunkle Bühne von Katrin Hoffmann wird zum Nicht-Lebensraum: Ledersessel, ein Stahl-Gerüst im Hintergrund, Matrazenstapel, dazu bizarre Elektrosounds (Malte Beckenbach). Keine Wärme, nur große Beliebigkeit. In diesem haltlosen Etwas agiert die Choreografin selbst mit drei Mitgliedern ihrer Compagnie und fünf Schaubühnenschauspielern. Wechselnde Episoden erzählen von ausgedörrten Beziehungen, unzufriedenen Aktienspekulanten und überzeichneten Urlaubserinnerungen an Freiheit und ein Leben in jugendlichem Aktionismus: „I used to want to change the world, now I´m just caring about parking place.“ Was das Stück vom allgemeinen Finanzkrisen-Theaterboom abhebt, ist die erschreckende Gleichgültigkeit und lethargische Hoffnungslosigkeit der Akteure. Es reicht nicht mehr, die eigene existentielle Wut über den Kauf eines „Prada“-T-Shirts zu kanalisieren. Es muss mehr sein, so schreit man ins Mikro. Nur was, und wozu überhaupt?
Einige Episoden bestehen lediglich aus langen Monologen, die ermüden, die wohl ermüden sollen. Es gibt kein Ende der Beliebigkeit, die Verzweiflung ist austauschbar, das zeigt van Dijks diametral geführte Bewegungsform, wo Richters Text an plakative Grenzen stößt. Körperteile streben immer wieder in entgegen gesetzte Richtungen und sind damit ebenso ziel- und hilflos wie ihre Besitzer. Das zeigt etwa die vergebliche Suche nach einem menschlichen Anker, wenn gepaarte Tänzer immer wieder in Umarmungen versinken, aneinander abgleiten, zu Boden rutschen und erneut – noch unten klebend – die Arme hochstrecken. Oder wenn eine vergebliche Familienaussprache in Sofa-Runde damit endet, dass die Beteiligten immer weiter auseinanderstürzen, im Sog zurückrutschen, wieder voneinander weg fliegen.
Am Ende wird der Schlusspunkt verpasst, die Textschwemme der gebetsmühlenartigen Einsicht „It wouldn’t change anything“ ermatten. Womöglich muss „Trust“ in dieser Offenheit enden – sonst würde der Zuschauer mit dem Verlust sämtlicher Liebes- und Lebensinhalte entlassen.