Text:Andreas Falentin, am 29. August 2011
Wesentliches, verbindendes Element der vielfältigen Veranstaltungen der diesjährigen Ruhrtriennale ist die Beschäftigung mit Kraft und Philosophie des Buddhismus. Willy Deckers Entscheidung für Wagners „Tristan“ erscheint in diesem Umfeld zwingend, gibt es doch kaum ein anderes Kunstwerk des 19. Jahrhunderts, das sich derart intensiv und eigenwillig mit dem Thema auseinandersetzt.
Wolfgang Gussmann hat eine gewaltige, hydraulische Konstruktion in die Jahrhunderthalle gestellt: Zwei ständig rotierende Ebenen, eine als Spielfläche, die andere darauf, darüber, dahinter, dazu eine schwebende Kugel als schön anzusehende Projektionsfläche (im Wortsinn) und vielfältig interpretierbares Dingsymbol – romantischer Mond? Schopenhauer’scher Fluchtpunkt? Wagners Vorstellung von der Liebe an und für sich?
Entgrenzende Linien, schwerelose Statik: die leere Bühne als Chiffre für Schiff und Reise im ersten, die luftige Kontaktaufnahme mit der alten Industriearchitektur im zweiten, die scheinbar endgültige Trennung aller Ebenen im dritten Aufzug – in den Aktanfängen scheint produktiv buddhistische Dialektik auf. Doch in der Folge verlässt sich Decker durchgängig auf reduziertes, aber enorm konventionelles Erzählen, ebnet die Optik ein durch fast ununterbrochene Bewegung der Bühne und verfängt sich im Hantieren mit auf der riesigen Fläche mikroskopisch anmutenden Restrequisiten.
Bezwingend funktioniert der Interpretationsansatz im Graben. Schon das Vorspiel ist bei Kirill Petrenko und den Duisburger Philharmonikern kein genialisches Entree in den romantischen Rausch, sondern vorangestellter Epilog, eine von leichter Hand gültig kalligraphierte Trauerode, während das Ende, der „Liebestod“, hier Anfang ist, Aufbruch ins Nichts, leuchtendes Hinter-sich-Lassen. Petrenko macht sich die trockene, klare Akustik der Jahrhunderthalle überwältigend zunutze, dirigiert schlank und theatralisch. Die dunklen Holzbläser bilden das Zentrum eines subtil abgestuften Orchesterklangs, der die Sänger (fast) nie zudeckt. Diese danken es mit weit überdurchschnittlichen Leistungen, allen voran Anja Kampe als glühende, besonders in den ersten beiden Akten faszinierende Isolde. Christian Franz verwaltet den Tristan auf hervorragendem Niveau, vor allem mit imposantem Piano, Stephen Milling ist ein sensibel gestaltender, sonor singender König, Claudia Mahnke eine prägnant artikulierende, warmherzige Brangäne. Auch in den kleinen Partien wird rollendeckend gesungen.