Foto: "Pimpinone" mit Marie-Sophie Pollak und Renato Girolami bei den Innsbrucker Festwochen. © Innsbrucker Festwochen / Rupert Larl
Text:Jörn Florian Fuchs, am 22. August 2011
„Einen Dieb hat niemand lieb“ sagt das Sprichwort und eigentlich müssten wir ab jetzt Mozart und Richard Strauss mit Zuneigungsentzug strafen. Da hat das Wolferl doch tatsächlich sein verstottertes, zauberflötiges „Papageno“-Plappern geklaut! Es kommt nämlich ganz ähnlich vor bei Georg Philipp Telemanns viel früher entstandenem Intermezzo „Pimpinone“. Der Titelheld, ein alter geiler Geck, wirbt so verdruckst um ein angebetetes junges Dienstmädchen. Dieses hört zwar auf den Namen Vespetta, Pimpinone allerdings möchte sie zu seiner Pimpinina machen. Alles klar? Im Grunde ist es ganz simpel: alter Mann sucht junge Frau, die sich durch gute Zureden und Unmengen von Schmuck schließlich für eine Ehe entscheidet – um hernach sofort ihren Göttergatten in den Hades zu verbannen und selbst die Hosen bzw. den Reifrock im Hause P. anzuziehen.
Uraufgeführt wurde das knapp einstündige Mini-Öperchen vermutlich während einer Premiere von Händels „Tamerlano“ in Hamburgs Musiktheater am Gänsemarkt Anno 1725, als Telemann dort seinen Einstand als Chef gab. Damals war es üblich, große schwere Opern mit unterhaltsamen Komödien aufzulockern, ein Akt Händel, ein Akterl Telemann und so weiter. Das Tragische und Komische nebeneinander, geht das denn?
Doch zurück nach Innsbruck, zu den Festwochen, zu Telemann und mitten hinein in den Spanischen Saal von Schloss Ambras, wo das Ganze stattfand. Weil der Abend mit Pimpinone allein arg kurz wäre, rüsteten Pierre Pitzl (von der Barockgitarre aus dirigierend) und seine ziemlich knackig disponierten Kollegen vom Ensemble Private Musicke Telemanns in Arien wie Rezitativen sehr lebendige Partitur mit ein paar Gustostücken des Meisters auf. Man hörte etwa Menuette, Ouvertüren oder eine Caprice. Bisher also alles wunderbar, aber was passiert auf der Bühne? Christoph von Bernuth ist Operndirektor der Innsbrucker Festwochen und hat vor zwei Jahren eine unsäglich dämliche Inszenierung von Haydns „L’isola disabitata“ nebst „Arianna a Naxos“ (sic!) vorgelegt. Der Telemann aber sprüht nur so vor mal oberflächlichem, mal tiefgründigerem Humor. Mit wenigen Requisiten entsteht das witzige Drama des ungleichen Paars vor Augen und Ohren, besonders in Erinnerung bleibt der finale Fechtkampf, bei dem ein roter Staubwedel dem Mädel als Florett dient, während ihr unlängst angeheiratetes Gegenüber mit dem Krückstock hantiert.
Pimpinina – Entschuldigung – Vespetta wird von einer entzückenden jungen Sängerin verkörpert: Marie-Sophie Pollack ist wirklich eine, nein, die Entdeckung der Saison! Wie sie anmutig mit Pimpinone und dem Publikum anbandelt (und dabei auch mal fremd küsst, leider nicht den Rezensenten), ist eine Klasse für sich, ihre wundervollen Koloraturen, ihr vokaler Witz, ihr überaus angenehmes Timbre, eine andere. Den idealen Kontrapunkt setzt Renato Girolami, wie er sich zeternd und zaudernd durch die Partie des Alten wütet, verdient ebenfalls das Prädikat ‚Spitze’. Das Publikum war aus dem Häuschen und wollte sich unbedingt eine Zugabe herbei trampeln (leider ohne Erfolg). Die Kürze des Abends war allerdings wirklich etwas ungewöhnlich, in Innsbruck spielt man ja gerne Werke, die die Fünf-Stunden-Grenze sprengen und das Erreichen von Nachtzügen etc. wirksam verhindern.