Foto: Autor-Sohn-Ich (Jens Harzer) und Mutter (Oda Thormeyer) in der Peter Handke-Uraufführung "Immer noch Sturm". © Ruth Walz
Text:Joachim Lange, am 15. August 2011
Eine Peter Handke-Uraufführung ist per se ein Coup für das aktuelle Schauspielprogramm. Selbst wenn Thomas Oberender damit das Hamburger Thalia Theater zum dominierenden Koproduzenten der Salzburger Festspiele macht. Nach Nicolas Stemanns Faust-Marathon liefert jetzt auch Dimiter Gotscheff „Immer noch Sturm“ als Vierstünder ab.
Handkes diesmal im biographischen Sinne sehr persönliches Stück ist eine Vergangenheitsbeschwörung. Jens Harzer verwandelt sich mit virtuoser Zerbrechlichkeit den nur als „Ich“ bezeichneten Erzähler, also Handkes Bühnen Alter-Ego, an und imaginiert sich auf dem Kärntner Jaunfeld sieben seiner unmittelbaren Vorfahren herbei. Die Bühne von Katrin Brack ist ein Lichtkreis, in den es den ganzen Abend hindurch grüne Schnipsel regnet. Sind die Ahnen einmal da, ziehen sie den Erzähler in ihre Mitte. Zuerst in das für alle scheinbar glückliche Jahr 1936, dann in die Jahre des Krieges, dem in der Armee von Hitlers Reich zwei Brüder der Mutter zum Opfer fallen und der die Schwester und einen weiterer Bruder in die Reihen der Partisanen führt. Was freilich auch denen nicht die Kollision mit der Logik des Todes und den Illusionen von Freiheit erspart.
Nachdem Gotscheff so gut wie jede sich anbietende Möglichkeit für ein effektvolles Finale ignoriert hat, gibt es noch einen ziemlich eitlen Schlussmonolog. Bei dem droht nicht nur Jens Harzers manierierte Sprechweise in eine fast penetrante Weinerlichkeit zu kippen und zu nerven. Hier schimpft vor allem der Dichter in einer Art von aphoristischem Essay über alles, was ihm an Ungerechtigkeit der Weltgeschichte gegenüber dem Widerstand der Kärntner Slowenen so gegen den Strich geht. Und erledigt dabei gleich das mit, was die Mitwelt dem Zeitgenossen Handke zumutet…
Über weite Strecken ist dieser Text durchaus eine suggestive Worttraumtänzerei. Er hat die Kraft für poetische Bilder und den feinen Humor des Worterfindungskünstlers. In der direkten Rede freilich bricht der dramatische Gestus erst im zweiten Teil gelegentlich, dann aber fulminant durch. Grandios, wenn Oda Thormeyer als Mutter das Deutschlandlied heraus lacht oder wenn Gabriela Maria Schmeide als lebenskluge Großmutter außer Kontrolle gerät. Doch schaffen es weder Gottschef noch Harzer, den Text wirklich aus der altersweisen Attitüde zu befreien und auf ein Theatermaß zu konzentrieren. Am Ende wurde in Hallein vor allem der angereiste Handke gefeiert.