Foto: Diana Tomsche als Lucile in Wolfgang Rihms "Eine Straße, Lucile" am Badischen Staatstheater Karlsruhe © Jochen Klenk
Text:Alexander Dick, am 21. Juli 2011
Wir sollten alarmiert sein. Auslöser der Französischen Revolution war neben der fatalen sozialen Ungerechtigkeit vor allem auch – die Zahlungsunfähigkeit des Staates, sein Bankrott. Steht das ancien régime der Demokratie womöglich wieder an einem solchen Vorabend? Gottfried von Einems Oper „Dantons Tod“ nach Georg Büchners Drama, geschrieben zwischen 1944 und 1946 am Rande der größten Katastrophe des 20. Jahrhunderts, macht in ihrem Fatalismus wenig Hoffnung auf Veränderung der Zustände durch Veränderung der Gesellschaftsform. Alexander Schulins Inszenierung der 1947 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführten Oper schließt sich dieser Tendenz in überzeugender Optik (Bühne: Bettina Meyer; Kostüme: Ursina Zürcher) an. In seiner Mischung aus Hörsaal-, Nationalversammlungs- und Gefängnisambiente lässt das komplexe Drehbühnenbild an Nietzsche denken: Geschichte wiederholt sich – in Spiralbewegungen.
Solche Bewegungen zeichnet Schulin auch in im wahren Wortsinn „modischen“ Zeitsprüngen nach: alle Schreckensherrschaft geht – auch – vom Volke aus, ob in den Kostümen der Citoyens, der 1930er Jahre oder der Gegenwart. Ähnlich wie in von Einems Musik herrscht in der Regie eine Gleichzeitigkeit der Stile vor, und ähnlich wie bei von Einem kommen auch bei Schulin die Sprünge wie selbstverständlich – und dabei mit einem untrüglichen Gespür für die Wirkungsmacht inszenierter Bilder. Und ähnlich elegant hat Schulin Wolfgang Rihms vom Staatstheater in Auftrag gegebenen Monolog „Eine Straße, Lucile“ der Oper vorangestellt. Ein psychologisierender Prolog mit einer Figur, die in von Einems Oper nur eine untergeordnete Rolle spielt, eine von der Wucht der Spätromantik stark inspirierte, durch die Allmacht der kleinen Marschtrommel bedrohlich wirkende Musik, mit der sich der Karlsruher Komponist stark in Richtung Restauration begibt, in Spiralbewegungen…
Jochem Hochstenbach und die Badische Staatskapelle spielen beides beeindruckend, sehr differenziert, mit klanglichen Freiräumen für die Sänger. Und diesen darf eine erfreuliche Ensembleleistung attestiert werden – von Diana Tomsches leuchtend heller, manchmal allerdings leicht schriller Lucile über Stefan Stolls kraftvollen Danton bis zu Bernhard Berchtolds tenoral hochbefriedigendem Camille. Ein großer Musiktheaterabend, den auch die weniger geschlossene Leistung des Chores (Frauen!) nicht zu trüben vermochte. (Weitere Aufführungen in der nächsten Spielzeit, Wiederaufnahme am 25. 9.)