Foto: Nikolaus Kühn, Leif Scheele, Andreas Jeßing in "Soldaten" © Isabel Winarsch
Text:Jens Fischer, am 11. Juli 2011
Die Wehrpflicht in Deutschland wurde als „legitimes Kind der Demokratie“ (Bundespräsident Theodor Heuss) wiedergeboren, nach 54 Jahren ging sie nun in den Vorruhestand. Die Bundeswehr ist seit dem 1. Juli eine Freiwilligenarmee. Ein prima Zeitpunkt also, einmal zu schauen: Was sind das für Menschen, die freiwillig einen Job annehmen, bei dem der eigene Tod zu den Risiken und Nebenwirkungen, das Erlernen des Tötens zur Stellenbeschreibung gehört? Aktuelle Dramentexte über Probleme, derzeit fürs deutsche Militär zu arbeiten, sind auf Spielplänen nicht zu finden. Machte sich die Göttinger Werkgruppe 2 um Regisseurin Julia Roesler an ein Tabuthema? „Dass nach den Erfahrungen mit der Wehrmacht seit 15 Jahren schon wieder weltweit deutsche Soldaten diverse Kriege führen, das verdrängt man halt gern“, erklärt Roesler.
Vor Somalia, in Afghanistan, Uganda, Bosnien-Herzegowina, im Libanon, Sudan, Kongo, Kosovo warten jetzt abenteuerliche Erfahrungen fürs Leben, dort ist ein Mann noch ein Mann? Roesler fragte nach. 20 Soldaten, aktive und ehemalige, wurden interviewt und aus über 40 Stunden Gesprächsmaterial fünf beispielhafte Biografien herausdramatisiert, die nun von Schauspielern sachlichdienlich interpretiert werden. Inszenierungsansatz: Da sonst keiner mit Soldaten redet, reden sie jetzt aufs Publikum ein. Immer monologisch. Von den Gründen der Jobwahl, dem überfordernden Arbeitsalltag, der rohen Brutalität des Krieges ist zu erfahren, von irreparablen Verletzungen an Leib und Seele und den vergeblichen Kämpfen um Entschädigung.
Dann spendieren die Mimen den Zuschauern zwei Kisten „Göttinger“-Pils. Geschenke stimmen freundlich, Alkohol sediert. Das nutzt Roesler heimtückisch, um nun die übelsten Sentenzen darzubieten – wie Hass auf Moslems, Gewaltgeilheit, Terrorfantasien, Homophobie. Beängstigend authentisch. Und beklemmend in diesem Aufführungsambiente: Kreisrund gruppiert um ein Bodenmosaik aus Patronenhülsen sitzen die Besucher, aus den Nischen und Fenstern der finster-gespenstischen, kellerkalten Holzscheune tauchen immer wieder Mitglieder eines Kinderchores auf, spielen genauso naiv mit Soldatenfiguren wie sie militärisches Liedgut intonieren. Während die Soldaten den Eindruck vermitteln, dass es keiner großen Ideologie, keines Zwanges zum zackigen Patrouillieren und Totschießen bedarf, es genügt eine funktionierende Militärmaschinerie, für den Rest sorgt die Gruppendynamik. Mitleid? Das verweigert Roesler. Respekt? Für die Soldaten als Täter: nein. Aber sie nimmt sie ernst als Opfer der Kriegserlebnisse, gerade auch weil angedeutet wird, wie Opfer wieder Täter werden, an der Heimatfront den Krieg fort-, Gewalterfahrung in Gewalttätigkeit übersetzen, auch als potenzielle Amokläufer gelten. Bürger in Uniform – das wäre einmal …