Foto: Jirí Sulženko, Chang-Kyu Lim, Hans-Georg Priese, Tereza Andrasi und Guido Baehr in "Der Cid" am Staatstheater Saarbrücken. © Bettina Stöß
Text:Konstanze Führlbeck, am 5. Juli 2011
Die Oper „Der Cid“ des deutsch-französischen Komponisten Théodore Gouvy (1819-1898) greift nach der dramatischen Vorlage von Pierre Corneille (1636) den Konflikt zwischen Liebe und Ehre, persönlichen Gefühlen und Loyalitätspflichten um den mittelalterlichen spanischen Nationalhelden auf. Im vollen, satt-glänzenden Streicherklang des von Arthur Fagen sehr differenziert und beweglich geführten romantischen Orchesters, das in der Ouvertüre die musikalischen Pole, Leitmotive und Entwicklungsprozesse dieser Grand Opéra vorstellt, konzentriert Ben Baurs Bühne die Ereignisse in einem grauen geschlossenen Raum, dessen düstere Enge dem in unbefangener Leidenschaft Zärtlichkeiten austauschenden jungen Paar Rodrigo (Hans-Georg Priese) und Ximene (Christa Ratzenböck) noch nicht bewusst zu werden scheint.
Nach dem Scheitern der ursprünglich für 1865 vorgesehenen Uraufführung in Dresden inszeniert die junge niederländische Regisseurin Jetske Mijnssen das Werk erstmalig in Gouvys Heimatstadt Saarbrücken. Dabei stellt sie, oft in bewusstem Kontrast zum Pathos der Musik, die fatalen Konsequenzen eines engen, von äußerlichen Wertvorstellungen diktierten Ehrbegriffes heraus, über die den Protagonisten die Kontrolle immer mehr entgleitet. Als der ehemals berühmte Feldherr Don Diego de Vivar, korrekt und prinzipienstreng dargestellt von Bassist Hiroshi Matsui, zum Erzieher des Thronfolgers bestimmt wird, demütigt und misshandelt der sehr von sich überzeugte Oberbefehlshaber Graf Gormas (Thomas Jesatko) aus verletztem Stolz den älteren Mann. Dieser fordert daraufhin seinen Sohn Rodrigo auf, seine Ehre wiederherzustellen – durch ein tödliches Duell mit Gormas, dem Vater seiner Verlobten Ximene.
Jetske Mijnssens psychologisch fundierte Personenführung hebt die zunehmende Zerrissenheit der Charaktere hervor, die im Sog ihrer auferlegten Verpflichtungen mehr und mehr gegen sich selbst und ihre ureigensten Interessen handeln müssen, bis sie an diesem Konflikt zu zerbrechen drohen. Die romantische Tonsprache Théodore Gouvys weist trotz ihrer unüberhörbaren Eklektizismen – Reminiszenzen an Weber, Mendelssohn, Verdi, Gounod, Tschaikowsky und Richard Wagner, zu dessen Werk Gouvy ein zwiespältiges Verhältnis hatte, sind unverkennbar – eine originelle und mitreißende Handschrift auf. Allerdings verwendet Gouvy gelegentlich –wie zum Beispiel im Racheduett – ein dramaturgisch ungeeignetes Formschema und verschenkt so dramatische Spannung und Stringenz.
Geschlossenheit und Homogenität zeichnen die mit standing ovations aufgenommene Saarbrücker Aufführung aus: Jetske Mijnsens konsequent durchgehaltenes Regiekonzept verbindet sich mit einer überzeugenden Orchester- und Ensembleleistung. Trotz einiger stimmlicher Schärfen in der Höhe gestaltet Christa Ratzenböck eine burschikos-erfrischende und doch tiefer Gefühle fähige Ximene; Hans-Georg Priese begeistert mit baritonalem Heldentenor und subtil nuanciertem, die ganze Spannweite des Charakters auslotendem Spiel. Um sie agieren Hiroshi Matsui (Don Diego), Thomas Jesatko (Graf Gormas) und Guido Baehr (König Don Fernando) in einem stimmigen Ensemble.