Foto: Ensembleszene in Martin Schläpfers "b.09" an der Deutschen Oper am Rhein. © Gert Weigelt
Text:Hartmut Regitz, am 4. Juli 2011
Schwärzer lässt sich ein Totentanz kaum denken, und doch ist das Dunkel im Düsseldorfer Opernhaus licht genug, um das Brahms-Ballett in seiner ganzen Schönheit sichtbar zu machen. Martin Schläpfer jedenfalls, in der kurzen Zeit seines Engagements bereits bei „b.09” angelangt und damit beim „Deutschen Requiem”, verfällt angesichts der schweren Musik keine Sekunde lang in Totenstarre. Vielmehr bewegt er sein Ensemble leichtfüßig, wenn auch nicht unbedingt lebenslustig. Kleine Hüpfer finden sich allemal, und zwei Männer springen zwischendurch so verlangsamt, als wollten sie sich dabei über die Zeit erheben.
Schwere und Leichtigkeit halten sich die Waage, und Oben und Unten, d. h. Himmel und Erde werden gleichermaßen thematisiert. Frei genug, sich der eigenen Fantasie zu überlassen, assoziiert der Schweizer Choreograf immer wieder Bilder und Stimmungen, die sich zwar musikalisch begründen, sich aber dabei nie so konkretisieren, dass sie aufgesetzt wirken könnten. Im Gegenteil. Selbst ein Duo wie das für Yuko Kato und Jörg Weinöhl illustriert nicht, was die Psalmvertonung „Wie lieblich sind deine Wohnungen“ predigt, sondern signalisiert allenfalls ein menschliches Miteinander, wenn der eine die andere auf Augenhöhe hebt oder sich Rücken an Rücken rundet.
Getanzt wird barfuss, oft in weit ausholenden Schwüngen, wie wir sie aus dem Modern Dance einer Martha Graham kennen. Viele Formationen lassen allerdings eher eine Wertschätzung Balanchines erkennen. Der Spitzenschuh kommt nur einmal zum Einsatz, und das nicht als Paar. Marlúcia do Amaral trägt ihn im sechsten Satz, während der zweite Fuß der Solistin nackt bleibt: nicht als Ausdrucksmittel künstlerischer Überhöhung also, sondern als Hinweis auf seine fehlende Bodenhaftung – und darauf, dass der Mensch sein Leben lang ständig mit einem Bein auf der Schwelle des Todes steht.
Nicht zuletzt in einer solchen Szene zeigt sich die geradezu einschüchternde Stärke Schläpfers. Ohne der Komposition jemals das Wort zu reden (der die Düsseldorfer Symphoniker unter Axel Kober ohnehin nichts schuldig bleiben) kommt er ihr doch ganz, ganz nah: in grandiosen Gruppierungen, in denen sich die Gefühle gleichsam ballen, in Szenen, wo Ratlosigkeit und Resignation unbeschönigt Bewegung werden. Am Schluss helfen freilich nur noch Schlaufen, wie man sie aus öffentlichen Verkehrsmitteln kennt, um die Tänzer und Tänzerinnen vor einem abgrundtiefen Absturz zu bewahren. Der Rest ist Schweigen.