Text:Stefan Keim, am 30. April 2011
Fünf Personen spielen einen Tschechow. Nicht irgend einen, sondern den „Kirschgarten“, die letzte der Untergangsdramödien einer bürgerlichen Gesellschaft, die wir längst als Bild der unseren begriffen haben. Das Ensemble des Schlosstheaters Moers ist ganz nah dran. Beinahe wäre das kleine, enorm kreative Theater der kommunalen Finanzkrise geopfert worden. Den ökonomisch nutzlosen, aber für die ganze Region wertvollen Kirschgarten als Symbol der bedrohten städtischen Kultur zu deuten, liegt nahe. Regisseur Ulrich Greb gelingt es, Zeigefinger und Larmoyanz völlig zu vermeiden und der Notsituation mit Energie und Spielwut zu begegnen.
Fünf Schauspieler, mehr hat das Schlosstheater nicht. Sie verkörpern zunächst die Wartenden auf dem verschuldeten Landgut der in Paris lebenden Ranjewskaja. Dann gleiten sie in verschiedene Rollen hinein, was mehrere Deutungen zulässt. Die einfachste wäre, dass sich die einsam vor sich hin brütenden Menschen die ganze Geschichte vorstellen. Es gibt viele surreale Momente in dieser Aufführung, Träume, Fantasien, Erinnerungen. Es ist ebenfalls reizvoll, nachzuvollziehen, wie genau das character shifting geschieht, wer wann wen spielt. Denn oft liefert ein einziger Schauspieler These und Antithese zugleich für die Frage, wie mit der Krise umzugehen sei. Doch man kann sich auch problemlos den wechselnden Situationen und Personenkonstellationen hingeben. Greb verbindet Diskurstheater auf hohem ästhetischem Niveau mit direkter emotionaler Wirkung. Was auch dem fantastischen Ensemble zu verdanken ist, das mit wenigen Bühnenelementen spannungsreiche Szenen entwickelt.
Katja Stockhausen ist eine junge Ranjewskaja, zu leidenschaftlicher Erregung fähig. Wenn sie sich auf den Kaufmann Lopachin stürzt, liegt in den gierigen Küssen auch Verzweiflung und Bitterkeit, vielleicht sogar Lust an der Selbsterniedrigung. Denn auf seine Argumente hört sie nicht, verweigert sich der Erkenntnis, dass die Zeit der Gutsherren vorbei ist und die der bürgerlichen Kapitalisten angebrochen ist. Frank Wickermann zeigt als Lopachin einen zutiefst zerrissenen Menschen. Er kauft den Kirschgarten, doch im Moment des Triumphs packt ihn das heulende Elend. Lopachin schlägt mit einer Axt auf ein Klavier ein, wie der Kirschgarten ein Symbol für Kultur und Tradition. Die Tasten zersplittern, das Holz fliegt durch die Luft, immer wieder drischt Lopachin auf das Instrument, bis zur Erschöpfung. Ein Gewaltakt, der unglaublich brutal wirkt. Auch Marieke Kregel, Matthias Heße und Patrick Dollas liefern präzise Rollenporträts, verbinden psychologische Abgründe mit garstigem Witz.