Kurz vor dem Jahreswechsel fallen bei vielen Theatern die Niveauschranken. Da darf dann mal ausführlich gekalauert, gekaspert und geklatscht werden. In Lübeck macht sich nun Antony Pilavachi über Verdis Falstaff her. Man bzw. Frau prügelt ordentlich auf den Dicken ein. Im Frachtraum eines Kreuzfahrtschiffes hat sich Verdis tragikomischer Held breit gemacht, eine Etage höher feiert eine illustre Multikultigesellschaft, inklusive Scheichs, ständig fotografierenden Asiaten und bajuwarischen Trachtlern. Auf dem Oberdeck ist auch ein Schönheitssalon eingerichtet, hier stolpern hochhackige Girlies mit Dauerwellen-Perücken herum. Quietschbunt ist das alles, oft zotig, bisweilen banal, nur manchmal wirklich lustig. Falstaff als verletztes, verletzliches menschliches Wesen? Dies bleibt genau so auf der Strecke wie jedwedes tiefere Hineinleuchten in die anderen Figuren bzw. Konstellationen. Nach der finalen allseitigen Enttarnung entschwebt Falstaff mit einem Bötchen gen Bühnenhimmel, nur sein Page begleitet ihn. Das zumindest ist ein nettes, anrührendes Bild. Beim Publikum erntete Pilavachis Oberflächenpolitur fast ungebrochene Zustimmung, ja die Hanseaten waren regelrecht aus dem Häuschen.
Was die musikalische Umsetzung betrifft, völlig zu recht. Gerard Quinn gab den Titelhelden vokal ebenso expressiv wie geschmeidig, ausgezeichnet auch Antonio Yang (Ford) und Veronika Waldner (Mrs. Quickly). Die übrigen Rollen waren oft mehr als adäquat besetzt. Roman Brogli-Sacher legte viele Details der feingliedrigen Partitur frei, ohne sich erfreulicherweise dabei zu verzetteln. Die dennoch gelegentlich vorhandenen Spannungsdellen waren weniger Brogli-Sachers Dirigat als vielmehr Verdi selbst geschuldet, schließlich ist dessen letzter Opernstreich, was Binnendynamik und musikalische Dramaturgie betrifft, wahrlich nicht unproblematisch.
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