Foto: Oliver Kraushaar, Michael Abendroth und Viktor Tremmel im neuen Schimmelpfennig-Stück. © Birgit Hupfeld
Text:Stefan Michalzik, am 18. April 2011
Am Ende steht eine gewisse Ratlosigkeit. Was ist das nun gewesen? Worauf wollte es hinaus? Drei Arbeiter schwadronieren am Bau über die Beschaffenheit der Welt, über die globale ökologische Bedrohung, über die Verhältnisse von Oben und Unten in unserer Gesellschaft. Es wird Flaschenbier getrunken, geraucht und gerülpst. Beiläufig auch immer mal ein bisschen am Putz einer Wand gespachtelt.
Es ist eine triste Idylle, der wir in Roland Schimmelpfennigs neuem Stück „Wenn, dann: Was wir tun, wie und warum“ beiwohnen, das als Auftragsarbeit für das Frankfurter Schauspiel entstanden ist und von Christoph Mehler an den Kammerspielen inszeniert wurde. Es dauert lange, bis das erste Wort fällt. Viktor Tremmel als der stämmig-patente Vorarbeiter Ricki erzählt die Schnurre von der Liebe seines Lebens, die er drei Tage nach seiner Hochzeit kennengelernt hat. Am Zigarettenautomaten, einer Schnittstelle zwischen Arm und Reich. Sexuell haben sich die Klassen im Zuge einer kurzen Begegnung etwas zu sagen, derweil eine ernstliche Verbindung unvorstellbar bleibt. Auch zwischen dem Bauherren und den Handwerkern gibt es unüberbrückbare Trennungslinien. Der von Oliver Kraushaar als Melancholiker gezeichnete Uli stiert viel ins Leere und ergießt irgendwann in einem Schwall seinen Glauben an eine utopische Welterlösung über die anderen. Für derlei ist der von Michael Abendroth mit einem zurückhaltend-pointierten Spielwitz gegebene Rudi ob seines fortgeschrittenen Alters schon zu abgeklärt.
„Trinken, Nachdenken, Themenwechsel“: Mit dieser Regieanweisung ist viel über den Verlauf des nicht ganz zweistündigen Abends gesagt. Marek, der vierte Mann, ist dem Trupp abhanden gekommen. Er sitzt in der Gestalt des Schauspielers Thomas Huber in der ersten Reihe und schlägt mit einem Hammer geheimnisvolle Klopfzeichen. Gegen Ende des Stückes steigt er nackt auf die Bühne, schmiert sich mit Mörtel ein und führt einen Veitstanz unter der Betonung von Pimmel und Wampe auf. Ein beschwingter alter Doo-wop-Schlager – „Sh Boom Sh Boom“ – löst schließlich alles in Wohlgefallen auf. Tja.
Roland Schimmelpfennig ist der Rätselonkel des deutschsprachigen Theaters. Er stellt notorisch Fragen, ohne Antworten zu geben. Das ist ganz gewiss kein falscher Ansatz. Wenn aber, wie im vorliegenden Falle, nicht recht klar wird, wie die Frage überhaupt lautet, stellt sich das Gefühl ein, das Theater selbst habe einen Abend lang nicht so viel anders schwadroniert wie die Leute vom Bau.