Erfüllte Arbeit oder passioniertes Nichts-Tun
Foto: „Oblomow revisited“ im schwierigen Probenprozess © Screenshot von Luana Velis' Twitch-Account Text:Detlev Baur, am 22. Oktober 2021
Wie wir bereits auf Facebook berichtet haben, begleitet das Schauspiel Köln den Entstehungsprozess der Inszenierung von „Oblomow revisisted“ in der Regie von Luk Perceval auf einem Blog und dem Twitch-Kanal der Hauptdarstellerin Luana Velis. Wir wollen diesen Versuch für neue digitale Theaterformen intensiv verfolgen und im Januarheft in einem Werkstattbericht reflektieren. Und das obwohl wir als Theaterzeitschrift und -portal im Premierenfeuerwerk nach der Theaterzwangspause der letzten anderthalb Jahre derzeit wahrlich gut beschäftigt sind. Langeweile kommt in der Redaktion nicht auf – manchmal aber der Traum, bewusst Leerlauf ins Arbeitsleben zu integrieren. Die multimediale Auseinandersetzung bringt uns zumindest gedanklich dem Nichts-Tun näher – und macht neue Arbeit, die paradoxerweise jedoch auch persönlich anregend ist.
Gestern fand also eine wieder live gestreamte Probe zu „Oblomow revisited“ statt. Tatsächlich fand sie aber nicht statt. Luana Velis verschanzte sich gleichsam zu Hause. Wie schon in Videoausschnitten der letzten Tage zu erfahren gewesen war, macht ihr die Darstellung der passionierten Müßiggänger-Figur als Schauspielerin zu schaffen und bringt sie zunehmend in eine Theaterverweigerungshaltung. Gestern konnte man ihr also über Twitch eine gute Stunde dabei zusehen, wie sie versucht, ihre Gedanken in einem Tagebuch zu fassen, sich gleichzeitig mit dem Ensemble der Produktion über einen Chat austauscht und den Chat der Zuschauer kommentiert. Weitgehend Stille, manchmal ein Schnaufen der sozial gestressten Verweigererin, dann ein Video-Anruf der guten Seele Kristin Steffen, die die Olga probt. Auch die Ansicht auf Luanas Kurzrecherchen im Netz zu Themen wie Burnout. Es entstand ein assoziatives Spiel, das engen Bezug auf die Buchvorlage nimmt, sie mit der sozialen Wirklichkeit der Darstellerinnen und Darsteller verbindet. Man könnte darin eine Verbindung aus Bühnenarbeit und dramaturgischer Begleitung, wie sie früher im Programmheft sichtbar wurde, sehen; die Dramaturgin Lea Göbel spielt im Probenprozess eine wichtige Rolle.
Im Konflikt mit der schwierigen Kollegin Luana sind auch die Schauspieler Alexander Angeletta und Justus Maier in vorangegangenen Videos zu sehen. Und der geduldige, aber keineswegs planlose, vermutlich auch insgeheim manipulierende Regisseur Luk Perceval bei der Probenarbeit. „Oblomow revisited“ ist bislang für mich eine ungewöhnliche, letztlich aber auch künstlerische Auseinandersetzung mit Stoff und Gegenwart. Allein, wer das Drama in allen digitalen Verästelungen verfolgen will, benötigt viel Zeit und Muße. Fortsetzungen folgen.