Nachruf: Hitler, Faust, Freud und der Alm-Öhi: all das war Bruno Ganz
Von Michael Laages am 17.02.2019
• Bild: Cordula Treml
Im Grunde sei es doch ein Elend, dass ein so besonderer Schauspieler wie Bruno Ganz jetzt vor allem als Hitler-Darsteller in Erinnerung bleibe – das war eine der reflektierteren Würdigungen, als aus Zürich die Meldungen vom Tod des Schauspielers eintrafen. Im März wäre Ganz 78 Jahre alt geworden. Und in der Tat erzählen ja die allüberall losbrechenden Beschwörungen des keifenden Rumpelstilz-Führers im Berliner Bunker, wie ihn 2004 der Film-„Untergang“ zeigte, zwar auch sehr viel von der Fähigkeit des Künstlers zur Anverwandlung noch der hässlichste Teile deutscher Zeitgeschichte, aber eben auch die unverwüstliche Fixierung hierzulande auf den Anti-Deutschen an sich.
Das hat Bruno Ganz im Erinnern nicht verdient.
Und auch in der Gegen-Beschwörung, dem rühmenden Blick auf Peter Steins „Faust“-Marathon zur Expo 2000 in Hannover, wird immens viel verdrängt. Denn wenn einer wie Ganz tatsächlich die Horizonte der Meisterschaft vermaß, im Kino wie im Theater, dann ist da vor allem das Ergebnis eines Arbeitsweges zu würdigen – der ja eben nicht auf den Gipfeln begann, sondern im Tal.
Also zum Beispiel in Göttingen.
Dort, am Jungen Theater, der experimentellen Neugründung Mitte der 60er Jahre, beginnt der Theaterweg des jungen Schauspiel-Absolventen aus Zürich; und damit wird er Teil einer Generation, die Auf- und Umbruch vorantreibt. Der Weg führt weiter nach Bremen und zu Kurt Hübner, mitten ins allerwichtigste Theaterlabor jener Epoche, hin zu Peter Zadek, Wilfried Minks und Peter Stein – Bruno Ganz als „Torquato Tasso“ steht in den Geschichtsbüchern des Theaters. Und danach, mit dem Wechsel von Stein und einigen Vertrauten nach Berlin in die neu gegründete Schaubühne am Halleschen Ufer, ist der erste Gipfel erreicht.
Jetzt wird’s kurz persönlich – als 17jähriger Schüler besuchte ich bei einem familiären Routinebesuch in Berlin 1973 auch diese sensationell neue „Schaubühne“, und nach einer Vorstellung vom Labiche-„Sparschwein“ (Steins Phantasie vom Horror und Terror der Bürger auf Karl-Ernst Herrmanns Barrikaden-Bühne) gelingt tatsächlich ein Treffen in der Kantine; „Fan“ trifft „Star“, einfach nur so – und der Künstler erzählt frei von aller Hybris davon, wie Theater entsteht. Unvergessen bleibt das Treffen, bis zum Ende der Erinnerung wird diese nicht zu löschen sein.
Ganz nimmt bald zunehmend Abstand vom Theater, spätestens seit er (neben Schaubühnen-Partner Otto Sander) als Engel durch den Wim-Wenders-Film „Der Himmel über Berlin“ schwebt; fast kommt Ganz dem Theater ganz abhanden. Es ist bei ihm wie bei vielen, die einst mit Peter Stein arbeiteten: Sie finden niemanden mehr im Theater, der Stein entspräche. Mit allen, die danach kommen, tun sich Protagonisten wie Ganz sehr schwer. Von Bochum aus wurde gleich nach der Todesnachricht daran erinnert, dass Ganz dort 2006 den mörderischen Römer Titus Andronicus spielte in „Die Schändung“, dem Stück von Botho Strauß nach Shakespeare, in der Inszenierung von Elmar Goerden. Aber präsenter blieb Ganz bis zuletzt im Kino – noch im vorigen Jahr entstanden (trotz fortschreitender Krankheit) zwei Filme, zuletzt „Der Trafikant“ nach Robert Seethalers Roman. Da war Ganz als Sigmund Freud zu sehen.
Freud. Hitler. Faust. Der Berliner Engel. Die grandiosen Einzelgänger in den Filmen von Theo Angelopoulos, aber auch der Alm-Öhi in der „Heidi“-Verfilmung – Bruno Ganz konnte derlei solitäre Persönlichkeiten zu Unikaten verwandeln im Film; wie er im Theater in sanftem Beharren die Unverwechselbarkeit jeder einzelnen Rolle erkämpfte. Alles konnte er im Ich fixieren; fein und filigran ging er dabei vor, sanft und sensibel – mit dieser nun wirklich unvergleichlichen Stimme, die in der ersten gesprochenen Silbe kenntlich war. Wer diese Arbeit zu erkennen verstand (und bis heute nicht nur der Faszination erliegt vor dem zitternden, zeternden Monstrum im Führerbunker), der (und die) kann jetzt Abschied nehmen: von einem Weltstar des Kinos, der aus dem deutschen Theater kam.
Zwischenruf: Botschaft zum Welttheatertag 2019
Von Detlev Baur am 06.02.2019
• Bild: Laura Ramos
Am 27. März ist wieder Welttheatertag. Heute erreicht uns vom ITI der Text vom diesjährigen Autor der Botschaft, dem kubanischen Autor, Regisseur und Theaterpädagogen Carlos Celdrán. 1996 gründete er die Gruppe "Argos Teatro", deren künstlerischer Leiter er bis heute ist und mit der er dem kubanischen Publikum die Rezeption zeitgenössischen europäischen Theaters eröffnete. "Argos Teatro" ist eine der bekanntesten Theaterkompanien Kubas, ihre Produktion „Zehn Millionen“ (Stücktext von Celdrán) tourte international, ebenso wie die jüngste Produktion „Mysterien und kleine Stücke“ („Misterios y pequeñas piezas“, 2018). Wir präsentieren hier schon einmal seinen so persönlichen wie globalen Text aus dem Theaterland. Das Schöne an den Botschaften zum Welttheatertag ist ja, das man darin immer wieder erlesen kann, wie anders – nämlich poetischer und hoffnungsvoller – als hierzulande über Theater gesprochen werden kann:
Bevor ich zum Theater kam, waren dort schon meine Lehrer. Sie hatten ihre Häuser und ihre poetischen Konzepte auf dem gebaut, was ihnen ihr eigenes Leben hinterlassen hatte. Viele von ihnen sind nicht bekannt oder man erinnert sich kaum an sie: Sie arbeiteten aus der Stille heraus, aus der Demut ihrer Probenräume und ihrer Theatersäle voller Zuschauer, und langsam, im Verlaufe arbeitsamer Jahre, in denen sie Außerordentliches leisteten, räumten sie ihren Platz und verschwanden. Als ich begriff, dass mein Handwerk und meine persönliche Bestimmung darin bestanden, ihren Schritten zu folgen, begriff ich auch, dass ich von ihnen jene einzigartige, herzzerreißende Tradition erbte, das Gegenwärtige zu durchleben, einzig und allein in der Erwartung, die Durchsichtigkeit eines nicht wiederholbaren Augenblicks zu erreichen. Ein Moment der Begegnung mit dem Anderen in der Dunkelheit eines Theaterraums, allein geschützt durch die Wahrheit einer Geste, eines vielsagenden Wortes.
Mein Theaterland besteht aus diesen Momenten der Begegnung mit den Zuschauern, die Abend für Abend in unser Theater kommen, aus den verschiedensten Winkeln meiner Stadt, um uns zu begleiten und ein paar Stunden, ein paar Minuten mit uns zu teilen. Aus diesen einzigartigen Minuten baue ich mein Leben, höre ich auf „ich“ zu sein und an mir selbst zu leiden, ich werde wiedergeboren und begreife, was Theatermachen bedeutet: Augenblicke reiner vergänglicher Wahrheit, von der wir wissen, dass das, was wir im Licht der Bühne sagen und tun, gewiss ist und unser Tiefstes, unser Persönlichstes widerspiegelt. Mein Theaterland, das meinige und das meiner Schauspieler, ist ein Land, gewebt aus jenen Momenten in denen wir die Masken hinter uns lassen, die Rhetorik, die Furcht zu sein, was wir sind, und uns die Hände reichen in der Dunkelheit.
Die Tradition des Theaters ist horizontal. Niemand kann behaupten, dass es irgendeinen privilegierten Mittelpunkt in der Welt gibt, in irgendeiner Stadt, in irgendeinem Gebäude. Das Theater, wie es mir zuteil wurde, erstreckt sich auf unsichtbarem Gelände, welches das Leben der Theatermacher und das Theaterhandwerk in derselben vereinenden Geste miteinander vermischt. Alle Meister des Theaters wissen, dass es keine Anerkennung gibt, die Bestand hätte vor dieser Gewissheit, die die Wurzel unserer Arbeit ist: Momente der Wahrheit, der Zweideutigkeit, der Kraft, der Freiheit in größter Unsicherheit. Von den Meistern wird nichts überleben außer Daten und Verzeichnissen ihrer Arbeiten in Videos und Fotos, die nur eine blasse Idee von dem vermitteln, was sie schufen. Was solchen Katalogen stets fehlen wird, ist die stille Antwort des Publikums, das augenblicklich erkennt, dass das, was dort auf der Bühne geschieht, unübersetzbar ist und außerhalb des Theaters nicht auffindbar, dass die Wahrheit, die es hier teilt, eine Erfahrung des Lebens ist, für Sekunden durchscheinender als das Leben selbst.
Als ich begriff, dass das Theater seinem innerstem Wesen nach ein Land ist, ein großes Territorium, das die gesamte Welt umfasst, entstand in mir ein Entschluss, der zugleich auch eine Freiheit bedeutet: du brauchst dich nicht von deinem Ort zu entfernen, musst nicht reisen. Dort wo du bist, ist auch das Publikum. Dort sind die Gefährten, die du an deiner Seite brauchst. Dort, vor deinem Haus, findest du die tägliche undurchsichtige, undurchdringliche Wirklichkeit. Von dieser scheinbaren Bewegungslosigkeit aus arbeitest du nun, um die größte aller Reisen zu konstruieren, die Wiederholung der Odyssee, der Argonautenfahrt: du bist ein unbeweglicher Reisender, der unaufhörlich die Dichte und Festigkeit seiner wirklichen Welt beschleunigt. Deine Reise geht zum Augenblick, zum Moment, zur unwiederholbaren Begegnung mit deinesgleichen. Zu ihnen führt deine Reise, zu ihren Herzen, zu ihrer Subjektivität. Du reist durch ihr Innerstes, durch ihre Gefühle und Erinnerungen, die du erweckst und bewegst. Man kann deine schwindelerregende Reise weder ermessen noch verschweigen, es ist eine Reise durch die Phantasie deiner Leute, ein Samen, ausgesät in der entlegensten Gegend: dem politischen, ethischen, menschlichen Bewusstsein deiner Zuschauer. Deshalb bewege ich mich nicht und bleibe zu Hause, unter meinen Vertrauten, in scheinbarer Ruhe, und arbeite Tag und Nacht, weil ich das Geheimnis der Geschwindigkeit in mir trage.
Havanna (Kuba) im Januar 2019 Übersetzung aus dem Spanischen: Dieter Welke
Zwischenruf: Von Maldeghem zieht in Köln zurück
Von Detlef Brandenburg am 01.02.2019
• Bild: Ute Boeters
Ob U-Bahn-Bau, Theatersanierung oder Intendantenfindung: Köln bleibt Köln, wie es singt und lacht. Vor einigen Stunden erreichten Pressemeldungen aus Salzburg die Öffentlichkeit, wonach Carl Philip von Maldeghem, designierter Intendant des Schauspiels der Domstadt am Rhein, in Salzburg bleiben will. Erst am vergangenen Freitag hatten die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach den Intendanten des Salzburger Landestheaters als Nachfolger für den amtierenden Intendanten Stefan Bachmann präsentiert. Über die Gründe für von Maldeghems Flucht vor dem neuen Amt muss man nicht spekulieren. Seine Berufung war auf massive Kritik gestoßen: Er sei für eine Weltstadt wie Köln mindestens eine Nummer zu klein, er stehe für einen Rückfall in die Provinz. Im Kölner Stadtanzeiger erschien ein geharnischter Artikel des Autors Navid Kermani, der die Wahl von Maldeghems gar als „Demütigung“ für die Stadt wertete.
Gedemütigt ist Köln jetzt in der Tat. In Salzburg dagegen zeigt man sich hocherfreut. Der ORF zitiert den Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) mit den Worten: „Ich bin sehr erfreut, dass es sich Carl Philip von Maldeghem noch einmal überlegt hat. Unter seiner Führung hat sich das Salzburger Landestheater hervorragend entwickelt - wir sind stolz auf dieses Haus“. Von Maldeghem selbst zeigte sich in einem offenen Brief „schockiert“ von dem Mangel an Offenheit und Respekt und von den „Vorurteilen, die von einigen Pressevertreter*innen über meine Arbeit in Salzburg und mich in die Welt gesetzt wurden, und über die ahnungslosen und neiderfüllten Angriffe und Vorverurteilungen aus der Branche von Kolleg*innen.“ Er brauche als Theaterleiter verlässliche Grundbedingungen. „Insbesondere das deutliche Bekenntnis des Landeshauptmanns, die Arbeit in Salzburg und deren internationale Perspektive in Zukunft weiter steigern zu können, haben mich überzeugt, in Salzburg zu bleiben.“
Ob von Maldeghem wirklich der Falsche für Köln war, wird jetzt offenbleiben müssen. Aber eines war an der öffentlichen Kritik an ihm von vorn herein auffällig: Kaum einer der vollmundig Empörten verwendete allzu viele Gedanken an die keineswegs rosige Situation, in der sich das Schauspiel Köln derzeit befindet. Es immer noch nicht absehbar, wann es wieder zurück in sein Haus am Offenbachplatz ziehen kann, die Termine für den Abschlusstermin der völlig entgleisten Sanierung sind in den letzten Jahren gepurzelt wie die Dominosteine. Unter diesen Umständen eine Top-Größe der Branche bekommen zu wollen, ist ambitioniert. Gerade einen Tag zuvor hatte der Berliner Kultursenator Klaus Lederer nach Barrie Koskys Rückzugs-Ankündigung als Intendant der Komischen Oper erklärt, dass während der auch dort bevorstehenden Sanierung ab 2022 eine Interims-Intendanz das Haus leiten werde. Köln hätte in einer ähnlichen Situation immerhin einen Mann gehabt, der in Salzburg gezeigt hat, wie kreativ er mit On-Location-Spielorten auch außerhalb seines Hauses umgehen kann. Er hätte eine Chance verdient gehabt.
Für die Kölner Kulturpolitik ist das alles ein einziges Desaster. Die schälen Reaktionen auf von Maldeghem waren absolut vorhersehbar. Als man sich dennoch für ihn entschied, hätte man sich eine sehr gute Kommunikation-Strategie zurechtlegen müssen. Nichts davon war erkennbar. Was aus der Pressekonferenz zu seiner Vorstellung verlautete, war an Plattitüden kaum zu überbieten. Und bei allem Respekt: Auch von Maldeghem selbst hätte sich vielleicht rechtzeitig überlegen sollen, wofür er sich zur Verfügung stellt. Damit hätte er sich selbst den Schock, den er beklagt, ersparen können.
Köln muss jetzt wieder auf die Suche gehen. Zweifelt etwa jemand daran, dass sich die Spitzenkandidaten der Schauspielkunst nach diesem Reinfall um den Posten reißen werden?
Zwischenruf: Jetzt ist es offiziell: Barrie Kosky geht – und bleibt auch ein bisschen
Von Detlef Brandenburg am 31.01.2019
Nachtrag zu unserem Zwischenruf vom 29. Januar: Nun ist es offiziell, Barrie Koskys Vertrag als Intendant der Komischen Oper Berlin läuft mit Ende der Spielzeit 2021/22 aus. Dies gab heute auf einer Pressekonferenz Berlins Kultursenator Klaus Lederer bekannt. Für die Interimsspielzeiten während der Generalsanierung des Hauses an der Behrenstraße ab 2022 übernehmen Susanne Moser und Philip Bröking die Intendanz. Susanne Moser ist seit 2005 Geschäftsführende Direktorin des Hauses, Philip Bröking ebenfalls seit 2005 Operndirektor. Barrie Kosky bleibt der Komischen Oper Berlin aber über 2022 hinaus als Hausregisseur künstlerisch eng verbunden.
Und das ist angesichts der Umstände vielleicht die beste aller möglichen Lösungen. Dass Kosky das Interim-Dasein, voraussichtlich im Schillertheater in Charlottenburg, nicht gerade verlockend findet, war gelegentlich in Berlin zu vernehmen. Ohne die Verpflichtungen als Intendant wird er daran sicher leichter tragen. Und das Haus behält ihn als Regisseur, der ganz entscheidend zum Erfolg der letzten Jahre beigetragen hat. Fürs Interim sofort einen neuen Intendanten zu verpflichten, hätte wenig Sinn gemacht. Welcher Top-Künstler bewirbt sich schon auf eine Baustelle? Wenn dann der Umzugstermin zurück ins Heimathaus feststeht (nein, wir verkneifen uns jetzt mal alles Geunke, dass es in Berlin doch gewiss nicht bei den jetzt geplanten fünf Jahren bleiben werde…), dann ist die Chefstelle viel attraktiver als vorher. Dann mag man die Geeignete oder den Geeigneten suchen.
Klaus Lederer sagte dazu: „Ein so besonderes Haus wie die Komische Oper Berlin, das Saison für Saison für Begeisterung sorgt, kann gerade in der Phase des Umbaus und der Sanierung nur ein gut eingespieltes Team stemmen. Ich bin daher glücklich, dass Susanne Moser und Philip Bröking die Komische Oper Berlin als Ko-Intendanten ab 2022 leiten werden. Und ich bin glücklich darüber, dass es uns gelungen ist, den Garanten des Erfolges der Komischen Oper Berlin, Barrie Kosky, als kreatives Mastermind am Haus und in der Stadt zu halten.“ Mastermind Kosky selbst gab zu Protokoll: „Nach langem Überlegen habe ich mich entschlossen, ab 2022 wieder als freischaffender Künstler zu arbeiten. Nichtsdestotrotz empfinde ich eine große Verantwortung gegenüber der Komischen Oper Berlin. Als Hausregisseur werde ich der Komischen Oper Berlin künstlerisch verbunden bleiben und insgesamt zehn Produktionen in den fünf Interimsjahren inszenieren. Damit schaffen wir Kontinuität und halten weiterhin fest an der engen künstlerischen Verbindung von mir und dem Haus. Berlin ist inzwischen meine Heimat und die Künstlerinnen und Künstler und das Publikum dieser einzigartigen, fantastischen Stadt sind mein Sauerstoff. Ich freue mich auf 2022 und die Zeit danach mit einem Herz voll Dankbarkeit und Liebe.“
Zwischenruf: Zur Auswahl für das Theatertreffen 2019
Von Andreas Falentin am 30.01.2019
Abwechslung geht anders. Ulrich Rasche und Ersan Mondtag, Simon Stone und Thom Luz sind ja bereits so etwas wie Stammgäste beim Theatertreffen – und auch in der heute veröffentlichten 10er-Auswahl der „bemerkenswertesten Inszenierungen“ wieder dabei. Dazu ist Christopher Rüping zum dritten, Claudia Bauer zum zweiten Mal eingeladen. Einziger „Frischling“ unter den Regisseurinnen und -euren ist Anna Bergmann – mit Ingmar Bergmans „Persona“, produziert am Deutschen Theater Berlin. Auch dieses Haus ist eine Konstante der letzten Jahre beim Theatertreffen. Wie das Burgtheater, die Münchner Kammerspiele und das Theater Basel.
Dagegen ist natürlich genauso wenig einzuwenden wie gegen die Tatsache, dass fast ein Drittel der 39 in die engere Wahl gekommenen Inszenierungen in der Hauptstadt herausgekommen ist. Es stellt sich nur wieder – und durchaus dringlich – die oft gestellte Frage, ob in der Jury-Auswahl wirklich die Vielfalt und Qualität des Theaters im deutschsprachigen Raum in irgendeiner Weise abgebildet wird. Haben wir wirklich eine derart einsame Spitzengruppe an Häusern und Regiekünstlern? Und ist bereits die Tatsache, dass dieses Jahr Karin Henkel, Herbert Fritsch und Frank Castorf, dass die beiden großen Hamburger Stadttheater, das das Gorki und die Schaubühne einmal nicht eingeladen wurden, ein Zeichen für irgendeine Andeutung einer Tendenz? Immerhin: drei, man könnte auch sagen: ein Drittel, der ausgewählten Aufführungen, She She Pops „Oratorium“, Thom Luz‘ „Girl From The Fog Machine Factory“ und Torsten Lensings David Foster Wallace-Theatralisierung „Unendlicher Spaß“, sind unabhängige Produktionen, gestemmt in Zusammenarbeit mit etlichen Theater, Festivals und Produktionshäusern, somit also nicht einem einzigen Haus zuzuordnen. Das ist neu – zumindest ein kleines bisschen.
Aber ist wirklich alles Berlin und München mit den etablierten Sidekicks Basel, Dresden und Dortmund? Niemand bestreitet die herausragende Qualität von Rasches „Das große Heft“ oder Rüpings „Dionysos Stadt“, aber schafft wirklich keiner sonst überwältigend Neues oder zumindest animierend Anderes in anderen großen und kleinen Städten? Warum hat es etwa Thorleifur Örn Arnarssons „Edda“, ein rauschendes Vereinigungsfest aller klassischen Theatermittel, eine textuell hochintelligente Verschränkung von Altem und Neuem und immerhin mit dem Deutschen Theaterpreis DER FAUST ausgezeichnet, nicht in die Endauswahl geschafft? Und was ist mit der Tendenz zum neuen Well Made Play, der sich im (nicht nur Publikums-)Erfolg der Stücke von Noah Haidle, Lot Vekemans oder Lutz Hübner widerspiegelt, übrigens an kleinen und großen Häusern gleichermaßen? Die Auswahl beim Theatertreffen gibt sich dagegen dezidiert heterogen postdramatisch, geradezu retro-postmodern. Keine „echten“ Stücke, aber auch kein wirkliches Schürfen nach neuen Wegen, weder inhaltlich noch strukturell. Warum eigentlich?
Und wo geht die Jury überhaupt hin? Macht Sie sich selbst ästhetische Vorgaben? Setzt sie überregionale Strahlkraft und Medienpräsenz voraus, so dass anerkannt herausragende Produktionen kleinerer Häuser, wie ein Beispiel unter vielen, Ulrich Grebs Inszenierung von Horváths „Zur schönen Aussicht“ am Schlosstheater Moers gleichsam unter dem Radar fliegen? Womöglich findet doch nur ein sehr kleiner Teil der beeindruckenden 90 bis 120 Vorstellungen, denen sich jede einzelne Jurorin, jeder einzelne Juror unterzieht, abseits der großen Ballungsgebiete statt...
Und wäre es nicht wirklich interessant, wie eigentlich „das Publikum“ über die Theatertreffen-Auswahl denkt, natürlich nicht das, das dann in Berlin die Vorstellungen sieht, sondern jenes landauf, landab mit seinen Theatercards, Wahl- und Wochentagsabos oder seinem Spaß am Unetablierten, mit seinen Vorlieben für das, was es schon kennt und seiner gar nicht so schwer anzustachelnden Neugier für alles Mögliche. Leider ist diese Meinung schwer bis unmöglich seriös zu ermitteln. Und würde sie die Macher des Theatertreffens überhaupt interessieren?
Zwischenruf: Barrie Kosky hört als Intendant auf
Von Detlef Brandenburg am 29.01.2019
• Bild: Thomas M. Jauk
Durch die Berliner Medien geistern seit gestern Berichte, die Anlass zur Sorge geben: Barrie Kosky, Intendant der Komischen Oper, will seinen Vertrag nicht über 2022 hinaus verlängern. Die Nachrichtenlage ist bislang noch diffus. Es gibt wenig offizielle Statements, aber viele Vermutungen, warum das so ist. Kosky hatte von Anfang an gesagt, dass für ihn nach zehn Jahren Schluss sein sollte. 2012 hatte er angefangen, also… Außerdem steht ab 2022 die Sanierung des Hauses bevor; die Aussicht, dann im Schillertheater zu spielen, dürfte der umtriebige Entertainer-Künstler Kosky als nicht besonders rosig empfinden. Es gibt auch Spekulationen, dass er dem Haus irgendwie verbunden bleibt, vielleicht als Chefregisseur, zumindest für regelmäßige Gast-Inszenierungen. Aber dass er aufhört, scheint klar zu sein.
Und das gibt Anlass zur Sorge. Wer die Jahre vor 2012 erlebt hat, erinnert sich lebhaft, wie sich die drei Berliner Opernhäuser mit ihren dramaturgischen Profilen und Spielplan-Doubletten permanent ins Gehege kamen. Sogar über Fusionen wurde schon mal nachgedacht. Dass sich das entzerrt hat, liegt an dem besonderen Profil, das Kosky der Komischen Oper gegeben hat: ein Haus, das für kluges Entertainment steht, zugleich aber auch für ambitioniertes Musiktheater in außergewöhnlichen Regie-Handschriften. Plötzlich war die Komische Oper sozusagen die lachende Dritte, auch das Publikum amüsierte sich prächtig, folgte Kosky dann aber auch zu ambitionierten Abenteuern des Opern-Erlebens. Und es war nicht zuletzt auch seine Regiehandschrift, die – vom „Ball im Savoy“ bis „Moses und Aron“ – das Fundament legte für das Profil des Hauses. Kosky ist Kult. Und die „Komische“ auch.
Es ist schwer vorstellbar, dass dieses Profil ohne hin durchzuhalten ist. Und man darf auch unterstellen, dass die sanierungsbedingte Vertreibung aus dem Stammhaus zu Einbrüchen beim Publikum führt. Wenn dann – wann auch immer, das weiß man ja bei Sanierungen nie so genau – die Rückkehr an die Behrenstraße ohne Kosky ansteht, muss sich Berlins Opernlandschaft neu sortieren. Das, so darf man prophezeien, kann heikel werden.
Zwischenruf: Ute Lemm wird neue Generalintendantin des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters
Von Detlef Brandenburg am 25.01.2019
• Bild: Lutz Edelhoff
Die Gesellschafterversammlung der Schleswig-Holsteinische Landestheater und Sinfonieorchester GmbH hat heute Ute Lemm zur neuen Generalintendantin und Geschäftsführerin ab dem 1.August 2020 berufen. Sie tritt damit die Nachfolge von Peter Grisebach an, der seinen im August 2020 auslaufenden Vertrag nicht mehr verlängert hatte. Ute Lemm ist seit der Spielzeit 2016/2017 als künstlerische Betriebsdirektorin und Orchesterdirektorin am Theater Erfurt tätig. Geboren in Schwerin, studierte sie Musikwissenschaften, Neue deutsche Literaturwissenschaft und Italienische Philologie in Bonn und Bologna und war nach ersten Theatererfahrungen in Köln, Osnabrück und Düsseldorf zehn Jahre lang Persönliche Referentin des Generalintendanten und Chefdisponentin des Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin. Seit 2014 ist sie zudem Vorsitzende des Richard-Wagner-Verbandes Mecklenburg-Vorpommern.
Ute Lemm tritt in Flensburg, Rendsburg und Schleswig kein leichtes Erbe an. Das Schleswig-Holsteinische Landestheater ist die größte Landesbühne Deutschlands, es bespielt neben den drei genannten Stammhäusern Bühnen in Heide, Husum, Itzehoe, Meldorf, Neumünster, Niebüll, Friedrichstadt und St. Peter-Ording sowie zahlreiche Gastspielorte. 19 Städte, Kreise und Gemeinden zählen zu den Gesellschaftern. Knapp 380 Beschäftigte, darunter im künstlerischen Bereich etwa 180, bringen pro Saison über 700 Vorstellungen auf die Bühne. 2010 geriet das Haus in eine Insolvenzkrise, die durch den Verlust des inzwischen abgerissenen Schleswiger Theaters noch verschärft wurde. Mit dem Beschluss, in Schleswig eine neue Spielstätte zu bauen, mit der Positionierung des Amtssitzes und des Produktionsstandortes für das Schauspiel in Rendsburg und mit einem neuen Gesellschaftervertrag konnte die Krise abgewendet werden
Ute Lemms Aufgabe wird es sein, das so geschaffene neue Gefüge der Gesellschafter mit künstlerischem Leben zu erfüllen und den Erwartungen der verschiedenen Spielorte gerecht zu werden Eine schwierige Aufgabe, aber auch eine lohnende. Denn diese Bühne versorgt das gesamt nördliche und westliche Schleswig-Holstein mit Theater. Ohne das Landestheater wäre dort eine ziemliche Kulturwüste. Nur ist das manchem Gesellschafter in bestimmten politischen Gemengelagen nicht immer so richtig bewusst.
Zwischenruf: Nachfolger Bachmanns gekürt
Von Detlev Baur am 24.01.2019
• Bild: Ute Boeters
Carl Philip von Maldeghem wird Nachfolger Stefan Bachmanns als Intendant des Schauspiels Köln. Das gab heute die Stadt Köln bekannt. Am Vormittag haben Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach, unterstützt vom ehemaligen Geschäftsführenden Direktor des Deutschen Bühnenvereins Rolf Bolwin, den künftigen Intendanten vorgestellt.
Der 49-jährige von Maldeghem ist promovierter Rechtsphilosoph. In Köln und überhaupt nördlich des Weißwurst-Äquators dürfte er weitgehend unbekannt sein. Nach dem Studium in Passau und den USA war er persönlicher Referent Gerard Mortiers bei den Salzburger Festspielen, auch Mitarbeiter Peter Steins und Hausregisseur am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Von 2002 bis 2007 leitete er die Schauspielbühnen Stuttgart, ein großes privates Sprechtheater. Hier wirkte er durchaus innovativ mit neuen Formaten (eine englischsprachige Sparte) und vernetzend (mit der DEUTSCHEN BÜHNE veranstaltete er ein Symposion zur Theaterkritik).
Seit 2007 ist von Maldeghem Intendant des Salzburger Landestheaters. Das Mehrspartenhaus wurde in dieser Zeit, auch durch Produkionen an alternativen Spielstätten, sichtbar in der Stadt verankert. Dabei bewegte sich der Intendant lokal auch auf den Spuren Max Reinhardts, den von Maldeghem im Interview mit der DEUTSCHEN BÜHNE mal als vorbildlich beschrieb in seinem künstlerischen Streben mit stetigem Blick aufs Publikum.
Carl Philip von Maldeghem arbeitet auch als Regisseur; als „innovativ“ ist er dabei zwar der Kölner Oberbürgermeisterin, weniger aber der Fachpresse aufgefallen. Eher verkörpert der künftige Kölner Schauspielchef den Typus des Managerintendanten, der international gut vernetzt ist und zugleich lokale Anknüpfungspunkte sucht. Erfahrungen mit „großem“ Schauspiel hat er bislang eigentlich nicht. Insofern ist die überraschende Wahl auch sehr mutig.
Er wird auf unbestimmte Zeit noch in der Übergangsspielstätte agieren müssen. Als Katastrophen-Manager könnte der bedächtige und zugleich energische von Maldeghem eine gute Wahl sein. Künstlerisch hat das Schauspiel – unter schwierigen äußeren Bedingungen – in den letzten Jahren an Profil verloren. Allerdings muss Stefan Bachmann hoch angerechnet werden, dass er die Spielstätte hervorragend im türkisch dominierten Stadtteil Mülheim integrierte und zugleich das Publikum von der „richtigen“ Rheinseite (da, wo der Dom ist) weiterhin ins Theater lockte.
Bachmann hatte vor anderthalb Jahren erklärt, seinen der Dauerbaustelle geschuldeten Dauervertrag bis 2021 zu begrenzen. Er musste seit Amtsantritt 2013 in der Übergangsspielstätte ausharren. Dass die Wiedereröffnung des sanierten Theaters in der Stadt weiterhin in den Sternen steht, ist ein grandioser Bauskandal, unter dem vor allem Bachmann und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu leiden hatten und haben. Einen neuen Höhepunkt der für den amtiernden Intendanten unerfreulichen Behandlung durch die schludrige Stadt stellte die Vorbereitung der heutigen Pressekonferenz dar. Nachdem zunächst von der Vorstellung einer „neuen Intendanz“ die Rede war, war laut Kölner StadtAnzeiger der Eindruck entstanden, Bachmann solle womöglich vorzeitig abgelöst werden. Bachmann äußerte sich entrüstet, auch weil er offenbar überhaupt nicht über die Bekanntgabe seines Nachfolgers informiert worden war.
Gerade auf der riesigen Bühne der Ausweichspielstätte braucht das Kölner Schauspiel ein starkes Ensemble. In Frank Castorfs Dostojewski-Inszenierung wurde jüngst deutlich, welche Chancen hier liegen. Möge der als Theaterleiter erfahrene, als Leiter eines großen Schauspielhauses aber wenig geübte designierte Intendant hier wie in der Zusammenstellung einer klugen Dramaturgie mit kraftvollen Regisseurinnen und Regisseure glücklich agieren. Im Zusammenspiel mit der Stadt bleibt ohnehin vermutlich eher das stoische Erdulden.
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Lesen Sie hier einen Artikel aus dem aktuellen Schwerpunkt der Deutschen Bühne
Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Dirigenten und Regisseur gelingen? Im Februar-Schwerpunkt fragen wir bei den Beteiligten, wie Operninszenierungen konfliktfrei entstehen können...