Von Ulrike Kolter am 27.02.2021
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Das Bild zeigt: Theater gucken vom Sofa – mit unserer Streaming-Liste
Welche Streaming-Angebote im deutschsprachigen Theater gibt es? Nutzen Sie unsere täglich aktualisierte Liste und schauen Sie Theater daheim! #stayathome – solange es eben sein muss. Die Liste ist, ausgehend vom aktuellen Datum, nach unten in Richtung Zukunft sortiert. Vergangene Streaming-Angebote, die online noch abrufbar sind, finden Sie hier archiviert.
27.2.2021 / 20.15 Uhr / 28.2.2021 / 13 Uhr / Lichthof Theater Hamburg: Jasmine Fan: Mudra – Von spirituellen Welten bis zur Konsumgesellschaft, vom Sakralen bis zum Profanen (Live-Stream, Tickets: 5 bis 20 Euro) Die Choreografin, Videokünstlerin und Tänzerin Jasmine Fan untersucht mit den beiden Tänzerinnen Isabella Boldt und Ying Yun Chen die symbolträchtigen Handgesten aus dem Hinduismus und Buddhismus und verfolgt ihre Bedeutungsentwicklung bis in den modernen Alltag hinein an Beispielen wie den Hongkong-Protesten oder der Verwendung von Emojis in der digitalen Kommunikation.
Bis 28.2.2021 / 19.30 Uhr / Landestheater Niederösterreich: Evy Schubert: Ghandi – der schmale Grat (Video-Stream, kostenfrei, online bis 28.2.2021, 19.30 Uhr) Die Regisseurin und Dramaturgin Evy Schubert folgt mit Ensemblemitglied Bettina Kerl den Spuren Gandhis als Symbolfigur für den politischen Kampf. Die Inszenierung wurde als Klassenzimmertheater entworfen und extra für den Stream von Johannes Hammel neu aufgenommen.
Bis 28.2.2021 / 19:30 Uhr / Theater Hof: Georg Kaiser: Kanzlist Krehler
(Stream kostenfrei) Regisseur Reinhardt Friese und Ausstatterin Annette Mahlendorf haben das expressionistische Sprachfeuerwerk dieser selten gespielten, wiederentdeckten Tragikomödie optisch in eine klare, überwältigend strahlende Farbstruktur eingebettet.
27.2.2021 sowie 6., 13., 20., 26.3.2021 / 20 Uhr / Schauspiel Leipzig:Alexandra Pâzgu: Fluss, stromaufwärts (Video-Stream, Tickets: 3 und 5 Euro, online für 24 Stunden) Preisträgerstück des „Exil-DramatikerInnenpreises“ 2018: Ein Kammerspiel, das sich mit Grenzgängen zwischen Nationen, Generationen sowie Realität und Utopie auseinandersetzt. Regie: Gordon Kämmerer.
27.2.2021 / 16 Uhr / Theater Junge Generation Dresden: Abflug Terminal Sofa
(Live-Stream via Zoom, kostenfrei) Vorstellung mit Übersetzung in Gebärdensprache für Erwachsene und Familien mit Kindern ab 8 Jahren. Die Dolmetscher sind immer gut im Bild zu sehen, wenn Schauspieler und Puppenspieler ihre eigenen Abenteuergeschichten erzählen und zeigen: im eiskalten Norden in Lappland, in einem blauen Haus in Mexiko und bei einer Schnitzeljagd zu einem geheimen Ort.
27.2.2021 / 19.30 Uhr / Staatsoper Hannover: Marco Goecke: Der Liebhaber (Live-Stream-Premiere, kostenlos, 30 Tage online als Video-on-Demand) Die Ballett-Uraufführung basiert auf dem gleichnamigen Buch der französischen Autorin Marguerite Duras, in dem sie von der Amour fou einer Fünfzehnjährigen mit einem zwölf Jahre älteren Mann erzählt.
27.2.2021 / 15 Uhr / Junges Theater Bonn: Astrid Lindgren: Ronja Räubertochter (Live-Stream, Tickets: 7,95 bis 120 Euro) Im Jubiläumsjahr zum 50. Geburtstag des Junge Theaters Bonn wird „Ronja“ nun zum fünften Mal neu inszeniert. Inszenierung: Bernard Niemeyer.
27.2.2021 / 19.30 Uhr / Maxim Gorki Theater Berlin: Daniil Charms: Elizaveta Bam (Video-Stream, kostenfrei, online für 24 Stunden) Regisseur Christian Weise befragt mit dem Exil-Ensemble den Text des absurden Theaters: Wenn die herrschende Ideologie absolute Gleichförmigkeit verlangt, wie kann oberflächliches Geplapper zum Instrument der Kritik werden?
27.2.2021 / 19.30 Uhr / Schauspiel Hannover: Wajdi Mouawad: Im Herzen tickt eine Bombe (Live-Stream per Zoom, Tickets: 5 Euro) Schauspieler Nicolas Matthews und Regisseurin Hannah Gehmacher erarbeiten den Text für die digitale Fassung neu. Die Zuschauer können im Anschluss an die Vorstellung mit dem Team über die Arbeit ins Gespräch kommen.
27.2.2021 / 20 Uhr / Opera Ballet Vlaanderen: Annelies Van Parys und Gaea Schoeters: Usher (Live-Stream, Tickets: 10 Euro) Kammeroper nach Debussys Edgar-Allan-Poe-Skizzen „La Chute de la maison Usher“ (1908-17). Der französische Regisseur Philippe Quesne, der sich laut Theaterangaben von amerikanischen Horrorfilmen aus den 1970er Jahren inspirieren ließ, führt bei dieser Neuinszenierung Regie.
27.2.2021 / 11 bis 19.30 Uhr / Landestheater Detmold: Shakespeare kurz & bündig: Der Widerspenstigen Zähmung (Video on demand, kostenfrei) Das Ballettensemble des Landestheaters Detmold ist digital in einer Choreografie von Katharina Torwesten zu sehen.
27.2.2021 / 19.30 Uhr / Piccolo Teatro Haventheater Bremerhaven: Vince LiCata: SpaceXPat (Live-Performance auf Zoom, kostenfrei) Wie die Uraufführung des Stücks inszeniert Andy Jordan auch die deutschsprachige Erstaufführung des US-amerikanischen Stücks. Im Mittelpunkt stehen die Zoom-Gespräche des Astronauten Pat, der beschlossen hat, dass er genug hat von der Erde – ihrer Erwärmung, den Unruhen, der Pandemie und der Politik – und daher von seinem Job in einer Raumstation im Weltall nicht zurückkehren will.
27.2.2021 / 19 Uh / Studiobühne Köln: Analogtheater: Geister ungesehen – Ein deutsches Trauma (Video-Stream, Tickets: 4 Euro) Mit dem Kurt-Hackenberg-Preis für politisches Theater 2020 ausgezeichnete Produktion des Analogtheaters. Fiktionales Biopic über die düstere Geschichte der vorpommerschen Kleinstadt Demmin, die zum Ende des zweiten Weltkrieges durch einen Massensuizid traurige Berühmtheit erlangte.
27.2.2021 / 19.30 Uhr / Theaterakademie August Everding und Hochschule für Musik und Theater München: wir.zusammen.allein. (Live-Stream, kostenlos) Projekt des 2. Jahrgangs im Studiengang Schauspiel, Leitung: Prof. Jochen Schölch. Die Beschreibung eines durchschnittlichen Politikeralltags ist die Ausgangssituation von Heckmanns’ Stück "Schieß doch, Kaufhaus!", auf dessen Grundlage sich das Produktionsteam mit der Frage auseinandersetzt: Schaffen wir es, trotz enormer Fliehkräfte, wie etwa der Globalisierung und der Migrationsbewegungen, den Zusammenhalt einer Gesellschaft aufrechtzuerhalten? Inszenierung, Choreographie und Bühne: Katja Wachter.
27., 28.2.2021 / 18 Uhr / Nationaltheater Mannheim: Arthur Schnitzler: Fräulein Else
(Live-Performance auf Instagram, kostenfrei) In die Titelrolle schlüpft auf dem Smartphone-Bildschirm Ensembleschauspielerin Vassilissa Reznikoff, live aus der Spielstätte Speicher 7, Regie führt Daniel Cremer. Reznikoff und Cremer sehen die Titelfigur „als stolze und eigenwillige junge Frau. Als feministische Pop-Ikone.“
28.2.2021 / 15 Uhr / 15.2.2021 / 10 Uhr / Junges Theater Bonn: Astrid Lindgren: Michel aus Lönneberga (Live-Stream, Tickets: 7,95 bis 120 Euro) Tristan Berger, Autor und Regisseur, hat verschiedene Episoden aus den Michel-Erzählungen als Grundlage für das Theaterstück benutzt und zu einer Geschichte verwoben. Im November 2019 wurde das Stück mit neuer Musik von Michael Barfuß erstmals in Bonn aufgeführt – für Zuschauer ab 5 Jahren.
28.2.2021 / 19 Uhr / Komische Oper Berlin:Erich Korngold: Die tote Stadt (Stream-on-Demand, kostenfrei, ein Monat online) Der kanadische Regisseur Robert Carsen gibt an der Seite des neuen Generalmusikdirektors Ainārs Rubiķis sein Debüt an der Komischen Oper. In den Hauptrollen sind die Amerikanerin Sara Jakubiak und Aleš Briscein zu erleben.
28.2.2021 / 4., 8., 23., 29., 30., 31.3.2021 / jeweils 20 Uhr / Theater Vorpommern: Borgtheater – Cyborg Performing Theater: Customerzombification 1 / Mein fremder Wille (Live-Game-Theater, Tickets: 3 Euro) Das Publikum hilft der Influencerin Alice, ihre Daten aus einer zentralen Datenbank zu löschen, währenddessen stellt eine künstliche Intelligenz die Aktivisten mit verschiedenen Hindernissen auf die Probe. Die weiterentwickelte Game-Engine Toto ist die Grundlage dieses Spiels, das den Zuschauern erlaubt, in eine Live-Performance einzugreifen. Inszenierung, Stückentwicklung und Game-Design: Rolf Kasteleiner.
25.2.2021 / 17 Uhr / Schauspiel Köln: Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator
(Video on demand, Tickets 1 bis 100 Euro) Alle vier Teile der filmischen Bearbeitung sind zu sehen. Zu Beginn des Online-Streams am 25. Februar 2021 werden Regisseur Rafael Sanchez und Schauspieler Stefko Hanushevsky die Zuschauer in das Stück einführen. Das Publikum hat im Rahmen eines Live-Chats die Möglichkeit, Fragen zu stellen und mit beiden ins Gespräch zu kommen.
27.2.2021 / 16 Uhr / Landestheater Detmold: Ritter Odilo oder der strenge Herr Winter (Video on demand, kostenfrei) Guta G. N. Rau hat das Stück über den Kampf gegen die Langeweile mit einfachen Mitteln für alle ab 5 Jahren inszeniert. Die Aufzeichnung der rund 50-minütigen Ritter-Klassenzimmer-Oper von Mareike Zimmermann mit Musik aus Henry Purcells „König Arthur“ erfolgte während des ersten Lockdowns 2020.
28.2.2021 / 15 Uhr / 15.2.2021 / 10 Uhr / Junges Theater Bonn: Myron Levoy / Rudolf Herfurtner: Geheime Freunde (Live-Stream, Tickets: 7,95 bis 120 Euro) Aufgrund des anhaltenden Erfolges des Stückes, das rund 60.000 Besucher in über 300 Vorstellungen gesehen haben, wurden die Rollen der Kinder schon zum vierten Mal neu besetzt. Die Inszenierung von Moritz Seibert hat im Mai 2020 ihren 10. Geburtstag gefeiert. Das Stück ist geeignet für Zuschauer ab 12 Jahren.
26.2.2021 / jeweils 19.30 Uhr / Schauspiel Köln:Ewald Palmetshofer nach Christopher Marlowe: Edward II. Die Liebe bin ich (Video on demand, Tickets 1 bis 100 Euro) Die Regisseurin Pınar Karabulut inszeniert das Bühnenstück als sechsteilige Miniserie. Autor Ewald Palmetshofer verlegt dafür die Konflikte der handelnden politischen Persönlichkeiten ins Private, so dass Sehnsucht und persönliches Glück kämpfen gegen Verantwortung und Machtinteressen. Am 12. Februar ist Kapitel 1 zu sehen („Einzug“), am 19. Februar Kapitel 2 („Salbung“) und am 26. Februar Kapitel 3 („Krönung“).
28.2.2021 / jeweils 16 Uhr / Schauspiel Köln: Wajdi Mouawad: Vögel (Video on demand, Tickets 1 bis 100 Euro) Eine moderne Version von Shakespeares „Romeo und Julia“, auf Hebräisch, Arabisch, Englisch und Deutsch erzählt und inszeniert von Stefan Bachmann. Zu Beginn des Online-Streams wird Dramaturgin Lea Goebel die Zuschauer in das Stück einführen. Während des Streams kann zwischen deutschen und englischen Untertiteln gewählt werden.
26.2.2021 / 19.30 Uhr / Staatstheater Nürnberg: Philipp Löhle: Isola (UA) (Video-Stream, kostenfrei) Inszenierung von Jan Philipp Gloger als Theaterfilm von Sami Bill: Auf der Burg des Grafen Friedrich Wilhelm von Munk feiert man ausgelassen, als plötzlich einer der Gäste tot umfällt. Die Angst geht um. Draußen fordert das Unbekannte weitere Opfer. Nach der Filmvorstellung findet ein Nachgespräch statt, an dem man sich über den Chat beteiligen kann.
26., 27., 28.2.2021 / jeweils 20 Uhr / Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste: Polymer DMT / Fang Yun Lo: Home Away From Home (Online-Installation, kostenfrei) Aus ihrer Performance haben die Künstler eine begehbare Online-Installation gefertigt, in mehreren Räumen trifft das Publikum auf verschiedene Arbeitsmigranten, die ihren Lebensweg, ihre Erfahrungen und Träume mit ihm teilen. An allen drei Abenden findet im Anschluss ein Publikumsgespräch statt.
27.2.2021 / 19.30 Uhr / Opernhaus Zürich: Bryan Arias, Craig Davidson, Juliano Nunes: Impulse (Live-Stream, kostenfrei, als Video-on-Demand bis Ende April verfügbar) Alle zwei Spielzeiten präsentiert sich das Junior Ballett mit einem eigenen Ballettabend, der in diesem Jahr aus drei Uraufführungen junger Choreografen besteht.
27.2.2021 / 19.30 Uhr / 7.3.2021 / 16 Uhr / 18., 26.3.2021 / 19.30 Uhr / 5.4.2021 / ganztägig / Schauspiel Köln: Ballet of Difference: Gymnastik (Live-Stream, Tickets: 1 bis 100 Euro) Regisseurin Monika Gintersdorfer und der bildende Künstler Knut Klaßen nehmen gemeinsam mit Richard Siegal, seinem Kölner Tanzensemble, den Gasttänzern Ordinateur und Alaingo sowie Musiker Hans Unstern einige Splitter aus der Tanzgeschichte auf und verknüpfen sie zu eigenen Bewegungskombinationen.
Bis 28.2.2011 / ganztägig / Salzburger Landestheater: Friedrich Schiller: Die Räuber (Video-on-Demand, Tickets: 7,50 Euro) Den Klassiker aus dem Jahr 1782 inszeniert Sarah Henker. Sie fokussiert, wann unbedingter Freiheitswille und Idealismus pervertiert werden und in Terror und Zerstörung umschlagen.
Bis 28.2.2011 / ganztägig / Salzburger Landestheater: Wolfgang Amadeus Mozart: Don Giovanni (Video-on-Demand, kostenfrei) Inszenierung von Jacopo Spirei aus der Spielzeit 2018/2019.
1., 8., 15., 22., 29.3.2021 / Premiere einer neuen Folge jeweils ab 19 Uhr / Theater der Jungen Welt Leipzig: Jonathan Swift: Gulliver (Video-Stream, kostenfrei) Uraufführung einer interaktiven Webserie in drei Staffeln mit je vier Folgen. Basierend auf der Buchvorlage von Jonathan Swift entwickelt das Game-Theatre-Kollektiv Komplexbrigade eine animierte Geschichte, in der das Publikum den Handlungsverlauf mitbestimmen kann. Für alle ab 12 Jahren.
4., 8., 12., 21., 22., 27.3.2021 / 20 Uhr / Schauspiel Leipzig: Bernhard Studlar: Die Ermüdeten oder Das Etwas, das wir sind (Video-Stream, Tickets: 3 und 5 Euro, online für 24 Stunden) Die Uraufführung aus dem Jahr 2015 durch Hausregisseurin Claudia Bauer war mehrere Jahre einer der großen Erfolge im Repertoire: ein pointiertes Stück über den sogenannten Alltag von Großstadt-Menschen.
5.3.2021 / 19 Uhr / 17.3.2021 / 20 Uhr / Staatsoper Stuttgart:John Adams: Nixon in China (Video-Stream, kostenfrei) Minimal-Music-Oper über Nixons Besuch bei Mao, 2019 inszeniert von Marco Štorman als Revue über die Macht der Bilder und die Inszenierung von Politik. Unsere Rezension steht hier.
5.3.2021 / 19.30 Uhr / Maxim Gorki Theater Berlin: Sibylle Berg: Und sicher ist mit mir die Welt verschwunden (Video-Stream, kostenfrei, online für 24 Stunden) Wieder in der Regie von Sebastian Nübling wird der vierte und letzte Teil der Saga von Sibylle Berg serviert. Er ist nominiert für „Stücke 2021“ der 46. Mülheimer Theatertage.
5., 6., 7.3.2021 / 17 Uhr / Theater der Jungen Welt Leipzig: Leo Lionni: Frederick (Live als Zoom-Videokonferenz, Tickets: 8 Euro) Maus Frederick auf Weltreise. Ob Finnland, USA, Mexico, Vereinte Arabische Emirate, Ukraine, Österreich, Belgien, Quatar, Luxemburg, Italien, Tschechien, Großbritannien oder Niederlande - quer über den Globus werden Sonnenstrahlen gesammelt. Interaktive und live gespielte Puppenspiel-Produktion für alle ab drei Jahren. Regie: Julia Sontag.
5., 11., 19.3.2021 / 20 Uhr / Schauspiel Leipzig: Regine Dura und Hans-Werner Kroesinger: Brennende Erde (Video-Stream, Tickets: 3 und 5 Euro, online für 24 Stunden) Auftragswerk über die Geschichte des Braunkohle-Tagebaus im Leipziger Südraum. Berichte und eigens geführte Interviews, Aktenfunde aus dem Stasi-Archiv und Dokumentationen bilden die Grundlage für ein besonderes Stück Dokumentartheater nicht nur zur Leipziger Zeitgeschichte.
6.3.2021 / 20 Uhr / Cocoon Dance Company, Bonn: Hybridity (Live-Stream, Ticket/Spende: ab 1 Euro) Dritter Teil des Werkzyklus über den „ungedachten Körper“, in dem sich das Ensemble um die Choreographin Rafaële Giovanola Company ausgesetzt zeigt in einer sich radikal verändernden Welt.
6.3.2021 / 19.30 Uhr / Theater Dortmund: Xin Peng Wang: Der Traum der roten Kammer (Video-on-Demand, kostenfrei, online bis 7.3.2021, 23.59 Uhr) Ballett nach dem chinesischen Roman „Hóng Lóu Mèng“ von Cáo Xuěqin, Musik von Michael Nyman. Unsere Rezension steht hier.
6.3.2021 / 20 Uhr / Radialsystem Berlin: Sasha Waltz & Guests: „In C“ – Terry Riley (Live-Stream, kostenfrei) Die Tanzcompagnie Sasha Waltz & Guests startete einen neuartigen künstlerischen Prozess, aus dem kontinuierlich sowohl digitale wie Live-Formate hervorgehen sollen. Musikalische Grundlage ist Terry Rileys „In C“ (1964). Dazu entwickelt Sasha Waltz gemeinsam mit ihren Tänzern choreographisches Material, dessen erste Fassung nun im Livestream zu erleben ist.
Bis 6.3.2021 / 19 Uhr / Sophiensäle Berlin: Sheena McGrandles: Figured + Flush (Video-on-Demand, Tickets: 5 Euro, online bis 6.3.2021) Zwei zusammenhängende künstlerische Arbeiten der Choreografin Sheena McGrandles, die laut Veranstalterangaben „Teil einer fortlaufenden Serie über radikale Zeitlichkeiten und illusorische Intimitäten“ sind.
Bis 10.3.2021 / Bayerische Staatsoper München: Leoš Janácek: Zápisník zmizelého (Video-on-Demand, Ticket: 4,90 Euro) Der Liederzyklus erzählt von der traurigen Liebe eines Mannes. Regie: Friederike Blum. In den Hauptrollen: Tenor Pavol Breslik und Mezzosopranistin Daria Proszek.
13.3.2021 / 20 Uhr / Theater im Ballsaal Bonn:Body Shots (Live-Stream-Premiere, Ticket/Spende: ab 1 Euro) Cocoon Dance setzt seine dekonstruierenden Körperinszenierungen fort und bildet die Akteure zu Doubles ihrer selbst ohne erkennbare Charaktere nach.
13.3.2021 / 19.30 Uhr / Theater Dortmund: Giacomo Puccini: Madama Butterfly (Video-on-Demand, kostenfrei, online bis 14.3.2021, 23.59 Uhr) In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln. Regie Tomo Sugao.
13., 25., 27.3.2021 / 18 Uhr / Theater der Jungen Welt Leipzig: Thomas Arzt: Und morgen streiken die Wale (Live-Stream, Tickets: 8 Euro) Das zeitgenössische Stück für alle ab 12 Jahren über Umweltbewusstsein, Mut und persönliches Engagement wird als interaktives Stück mit Gaming-Elementen auf der Plattform Zoom erlebbar sein. Regie: Johanna Zielinski.
Bis 15.3.2021 / Bayerische Staatsoper München: Carl Maria von Weber: Der Freischütz (Video-on-Demand, kostenlos) Aufzeichnung vom 13. Februar 2021, Musikalische Leitung: Antonello Manacorda, Inszenierung und Bühne: Dmitri Tcherniakov.
Bis 17.3.2021 / Bayerische Staatsoper München: Igor Strawinsky: L’histoire du soldat (Video-on-Demand, Ticket: 4,90 Euro) Unter der musikalischen Leitung des designierten Generalmusikdirektors Vladimir Jurowski gelangt das Musiktheater-Werk mit einer choreographischen Uraufführung von Norbert Graf und Textpassagen, die von der Schauspielerin Dagmar Manzel vorgetragen werden, auf die Bühne.
19.3.2021 / 19 Uhr / 31.3.2021 / 20 Uhr / Staatsoper Stuttgart: Sergej Prokofjew: Die Liebe zu drei Orangen (Video-Stream, kostenfrei) Axel Ranisch inszeniert die Märchenoper von 1921 als rasantes Computerspiel von 1989. Unsere Rezension steht hier.
20.3.2021 / 19.30 Uhr / Schauspielhaus Bochum: Heiner Müller: Die Hydra (Live-Stream, Tickets: 10 bis 25 Euro) Der Abend um die Sagengestalt des Herakles ist das zweite Bühnen-Abenteuer, zu dem der Regisseur Tom Schneider und die Musiker/Schauspieler Moritz Bossmann, Michael Graessner, Sandra Hüller und Sandro Tajouri gemeinsam aufbrechen. Die Aufführung im leeren Theater wird von mehreren Kameras live für das Publikum zu Hause übertragen. Im Anschluss folgt eine Gesprächsrunde mit den beteiligten Künstlern, an der sich die Zuschauer über einen Live-Chat beteiligen können.
23.3.2021 / 15 Uhr / Theater der Jungen Welt Leipzig: Marion Firlus und Ensemble nach Erich Kästner: Emil und die Detektive (Video-Stream, Tickets: 5 und 15 Euro, online bis 29.3.2021, 15 Uhr) Ein Kinderbuchklassiker in neuer Theater-Fassung mit Live-Musik. Für alle ab acht Jahren. Szenische Einrichtung: Marion Firlus.
26.3.2021 / 18.30 Uhr / Maxim Gorki Theater Berlin: Lola Arias: Futureland (Video-Stream, kostenfrei, online für 24 Stunden) Science-Fiction-Dokumentartheaterstück mit Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren, die allein aus Afghanistan, Syrien, Somalia, Guinea, Bangladesch nach Deutschland gekommen sind.
26.3., 31.3., 1.4., 3.4.2021 / 20 Uhr / Theater Rampe Stuttgart: E. L. Karhu: Princess Hamlet (Video-Stream, Tickets: 1 Euro) Digitale Theater-Serie, an jedem Aufführungstag eine neue Folge. Regie: Marie Bues und Niko Eleftheriadis.
26.3.2021 / 19 Uhr / Schauspielhaus Bochum:Anton Tschechow: Iwanow (Live-Stream, Tickets: 10 bis 25 Euro) Johan Simons inszenierte dieses Schauspiel aus Tragödie und Komödie im Januar vergangenen Jahres mit Jens Harzer in der Titelrolle. Die Aufführung im leeren Theater wird jetzt von mehreren Kameras live für das Publikum zu Hause übertragen. Im Anschluss folgt eine Gesprächsrunde mit den beteiligten Künstlern, an der sich die Zuschauer über einen Live-Chat beteiligen können.
27.2.2021 / 19 Uhr / Thalia Theater: Lee Hall nach dem Film von Paddy Chayefsky: Network (Video-Stream, Tickets: 6 bis 20 Euro, abrufbar bis 24 Uhr) Eine dystopische Medienlandschaft wird gezeigt, in der Meinungen Tatsachen übertrumpfen. In der Titelrolle: Wolfram Koch. Zu sehen ist der Mitschnitt des Live-Streams vom 16. Januar 2021. Regie Jan Bosse. Wahlweise mit englischen Untertiteln.
2.4.2021 / 19 Uhr / 14.4.2021 / 20 Uhr / Staatsoper Stuttgart: Richard Wagner: Parsifal (Video-Stream, kostenfrei) Calixto Bieitos Inszenierung von 2010 warnt laut Theaterangaben, „vor der Verzweiflung von Menschen, die Sinn in einem apokalyptischen Ödland suchen und dabei doch nur an verkrusteten religiösen Bildern festhalten können“. Musikalische Leitung Sylvain Cambreling.
3.4.2021 / 19.30 Uhr / Theater Dortmund: Richard Wagner: Lohengrin (Video-on-Demand, kostenfrei, online bis 4.4.2021, 23.59 Uhr) Regie Ingo Kerkhof. Unsere Rezension steht hier.
17.4.2021 / 19.30 Uhr / Theater Dortmund: Verklärte Nacht (Video-on-Demand, kostenfrei, online bis 18.4.2021, 23.59 Uhr) Tanzstück von Marjin Rademaker zur Musik von Arnold Schönberg.
Bis 10.5.1.2021 / 0.14 Uhr / Arte: Angelin Preljocaj: Das Fresko (TV-Produktion, kostenfrei, online in der Mediathek) Der französisch-albanische Choreograph Angelin Preljocaj setzt seine künstlerische Auseinandersetzung mit Märchen fort. 2017 erschloss er ein bislang in seiner Arbeit unerforschtes Genre: traditionelle asiatische Erzählungen.
Bis auf Weiteres / ganztägig / Theater Krefeld Mönchengladbach: Beuys' Küche (Video-Stream, kostenfrei) Joseph Beuys kam 1921 in Krefeld zur Welt. Mit „Beuys‘ Küche” konzipiert Regisseur und Theatererforscher Sebastian Blasius einen Theaterabend, der sich mit Beuys‘ Wirken auseinandersetzt. Eine unterhaltsam-herausfordernde Inszenierung.
Bis auf Weiteres / ganztägig / Schaubühne Lindenfels Leipzig: Brodsky ... Ferngespräche (Video-Stream, kostenfrei) Neun Gedichte von Joseph Brodsky, verfilmt in neun Kapiteln mit einer Performerin, einem Musiker und einem Schauspieler in der Regie von René Reinhardt und Thadeusz Tischbein. Die neun Folgen werden im Februar immer donnerstags im Wochenrhythmus veröffentlicht und bleiben online.
Bis auf Weiteres / ganztägig / Theater Total Bochum: Der Weg riecht nach Frühling (Video on demand, kostenfrei) Eine Performance nach „Siddhartha” von Hermann Hesse.
Bis auf Weiteres / Theater Osnabrück: Dominique Schnizer: Tödliche Entscheidung (Video on demand, drei Folgen für 10€) Die Theater-Web-Serie setzt sich im Format Ermittlungsthriller mit Fragen der Schuld auseinander und hinterfragt die Beweggründe seiner Figuren. Während des Live-Streams der Premiere hatte das Publikum die Möglichkeit, per Abstimmung via Internet direkten Einfluss auf den Verlauf der Handlung zu nehmen.
Bis auf Weiteres / Theater Osnabrück: Wolfram Lotz: Einige Nachrichten an das All
(Video on demand, kostenfrei) Nach der Corona-bedingten Absage der Inszenierung schicken die Figuren des Stückes jetzt aus dem digitalen Universum ihre Nachrichten an das All. Ein Experiment im dezentralen Proben und Produzieren, vom künstlerischen Team selbst erdacht und realisiert – in der eigenen Wohnung, an öffentlichen Orten, in und um Osnabrück.
Bis auf Weiteres / Oper Halle:Mein Staat als Freund und Geliebte (Video-Stream, kostenfrei) Der Komponist und Aktionskünstler Johannes Kreidler schrieb diese Oper für Chor, Video, einen Schauspieler, einen dramatischen Tenor, Ballett, Orchester und Elektronik – angesichts des weltweit erstarkenden Nationalismus handelt es sich um eine Reflexion über Gemeinschaft, Massenbewegungen, Staatstheorien und Protest.
Bis auf Weiteres / Junge Ulmer Bühne: Johann Wolfgang von Goethe: Faust (Video on demand, Ticket: 5 Euro) Der Arbeitskreis Junges Theater Baden-Württemberg präsentiert mit der Website theater-stream.de die Möglichkeit, einige Angebote der regionalen Bühnen online zu schauen. Initiiert und organisiert von der Jungen Ulmer Bühne präsentieren 13 baden-württembergische Theater, vom Staatstheater bis zu Bühnen der freien Szene, Live-Streams und Theaterfilme on Demand, die exklusiv für diese Plattform produziert werden und vor allem für den Einsatz im schulischen Rahmen geeignet sein sollen. Gestartet wird mit der verfilmten „Faust“-Inszenierung von Sina Baajour – ab 15 Jahren.
Bis auf Weiteres / Junge Ulmer Bühne:Odysseus – frei nach Homer (Video on demand, Ticket: 5 Euro) Mit einem Audi 80 ausgestattet und einem Schauspieler und einer Schauspielerin besetzt, drehte das Team um Regisseurin Sina Baajour für alle ab zehn Jahren ein Roadmovie im Theaterlager. Die Teppiche werden zum „Ort des Versprechens nach dem Paradiese“, das Hochregal zur Südspitze der Peleponnes und dem Platz der Winde, das blutige Kriegstreiben zum kurzen Figurentheater mit Playmobilfiguren …
Bis auf Weiteres / ganztägig / Dresden Frankfurt Dance Company: #Alterego / Ich bin deutscher Expressionismus (Videos in demand, kostenfrei) Eine Reihe von 15 künstlerischen Kurzvideos, die während des Lockdowns von den Tänzern selbst konzipiert und zu Hause umgesetzt wurden.
Noch bis 4.3.2021 / Wiener Staatsoper: Hans van Manen und Martin Schläpfer: Mahler, live (Video on demand, kostenfrei) Mit „Live“ eröffnet ein Werk das Programm, das 1979, in der Pionierzeit der Videotechnik, von Hans van Manen mit einer Tänzerin und einer Kamera als Vexierspiel über die Mechanismen der Wahrnehmung kreiert wurde. Martin Schläpfer antwortet diesem Kammerspiel mit einem großen Ballett, das er allen Tänzerinnen und Tänzern seines Ensembles widmet. „Schlicht 4“ nennt er seine Uraufführung zu Mahlers 4. Symphonie.
Noch bis 6.3.2021 / ganztägig / Berliner Festspiele: Berliner Theatertreffen: Deutsches Theater Berlin: Der Menschenfeind (Video on demand, kostenfrei) Anne Lenk inszeniert Molières Klassiker in der Übersetzung von Jürgen Gosch und Wolfgang Wiens.
Noch bis 12.3.2021 / ganztägig / Berliner Festspiele: Berliner Theatertreffen: Schauspielhaus Zürich: Der Mensch erscheint im Holozän (Video on demand, kostenfrei) Ein „Visual Poem“ von Alexander Giesche nach der Erzählung von Max Frisch.
21.3.2021 / 20 Uhr / Opera Ballet Vlaanderen: Andonis Foniadakis: Palmos (Live-Stream, Tickets: 10 Euro) In „Palmos“ – griechisch für Puls – will der griechische Choreograf Andonis Foniadakis den suchenden, einsamen Menschen und seine Sehnsucht nach Verbundenheit thematisieren.
24.4.2021 / 20 Uhr / Opera Ballet Vlaanderen: Henry Purcell und Kalle Kalima: Dido and Aeneas remembered (Live-Stream, Tickets: 10 Euro) Zusammen mit dem B'Rock Orchestra und einer Besetzung von Sängern und Schauspielern spürt Regisseur David Marton den Wurzeln einer jahrhundertealten Geschichte nach. Purcells Partitur wird zusammen mit gesprochenen Zeilen aus Vergils „Aeneis“ aufgeführt, während die neue Musik des Komponisten und Gitarristen Kalle Kalima sowie die Eingriffe von Jazzsängerin Erika Stucky eine Brücke zwischen dem 17. und 21. Jahrhundert schlagen sollen.
Noch bis 30.4.2021 / Deutsche Oper am Rhein:Viktor Ullmann: Der Kaiser von Atlantis (Video-Stream, kostenfrei) Die einzige erhaltene Oper, die in einem KZ komponiert wurde, kam in Düsseldorf unter der Regie von Ilaria Lanzino zur Premiere. Aufgezeichnet wurde die Aufführung am 10. Oktober 2020 für den Stream, in deutscher Sprache, mit deutschen, englischen und französischen Untertiteln.
Noch bis 31.07.2020 / Theater Koblenz: Richard Wagner: Die Walküre, 1.Akt
(Stream, Ticket ab 5 €) Konzertante, reduzierte Version unter Beachtung der aktuell geltenden Bestimmungen. Mit vier Kameras wurde dieses Opernkonzentrat für Klavier, Pauke und Violoncello aufgezeichnet. Hier gibt es weitere Streams vom Theater Koblenz.
Noch bis 31.07.2020 / Theater Koblenz: Steffen Fuchs: Nicht mit dir und nicht ohne dich
(Video-Stream, Ticket ab 9€) Steffen Fuchs choreographiert coronagemäß 15 Soli für 15 Tänzer – zur Musik von Johann Sebastian Bach: Stephanie Zimmer spielt die „Goldberg-Variationen" in der Version für Harfe. Hier gibt es weitere Streams vom Theater Koblenz.
Noch bis 31.7.2021 / ganztägig / Theater Koblenz: Richard Strauss: Der Rosenkavalier (Ausschnitte) (Video on demand, Tickets: 9 Euro) Monica Mascus, Haruna Yamazaki und Hana Lee präsentieren eine knappe Stunde musikalischer Höhepunkte aus Richard Strauss‘ Werk und kehren damit in ihre Rollen als Feldmarschallin, Octavian und Sophie aus der 2017er-Inszenierung am Theater Koblenz zurück. Eigens für die Online-Produktion wurde eine kammermusikalische Fassung für zwei Klaviere, Celesta und Harfe gefertigt.
Aus der Redaktion: Eine neue Post-Dramatik? – Blog in vier Teilen
Von Andreas Falentin am 16.02.2021
• Foto: Nationaltheater Mannheim
Das Bild zeigt: Die Kleist-Briefmarke des Nationaltheaters Mannheim
Obwohl sie geschlossen sind, versuchen die Theater, ihre Inhalte weiter ans Publikum zu bringen und haben dabei eine ungewöhnliche Formenvielfalt kreiert, von der „normal" abgefilmten Vorstellung bis hin zu Filmen, Webserien, Online-Games und Teleshopping- und Showformaten. Das Nationaltheater Mannheim macht jetzt einen Schritt zurück ins Analoge. Aus der geplanten Uraufführung „Gott Vater Einzeltäter – Operation Kleist“ von Necati Öziri ist vorläufig „Cecils Briefwechsel“ geworden, als „Post-Drama“. Jede Zuschauerin bekommt und schreibt tatsächlich – Briefe. Viermal. Ich mache mit.
Dienstag, 16. Februar
Endlich. Der erste Brief war für den 8.2. avisiert, für letzten Montag. Gestern ist er dann gekommen, eine Woche zu spät, gestempelt am 5. Februar. Wir sind also fast schon in der Post-Post-Dramatik gelandet. Ich werde auf jeden Fall heute noch antworten. Damit ich noch eine Antwort bekomme. Das ist ein Gefühl, das ich fast schon vergessen hatte: der analoge Termindruck.
Ich bin neugierig. Wie kann ein Briefwechsel, der, nach der ersten Antwort, für jede und jeden Mitwirkende(n) individuell gestaltet werden soll, über das Private, die sozusagen offiziell persönliche Begegnung hinausweisen? Ich öffne den Briefumschlag, finde ein Typoskript und ein paar Kleinigkeiten, befolge erste Anweisungen und habe eine Art Versuchsanordnung auf meinem Schreibtisch:
Ich beginne zu lesen. Erste Überraschung: Der Text packt unmittelbar. Ich lese ihn schon laut, bevor ich die Anweisung entdecke, genau das zu tun. Es ist harter Text. Gewalt, Gerechtigkeit, Rache sind die Themen. Necati Öziri gebietet über eine genuin dramatische Sprache von großer poetischer Kraft. Und er schließt tatsächlich an Kleist an, nutzt seine Weltsicht, seine Weltbeschreibung als Fundament und die Erzählung „Die Verlobung in Santo Domingo” offensichtlich als Material. Dazu konstruiert er einen Antagonismus aus zwei Gruppen. Die eine lebt aggressiv toxische Männlichkeit aus, die andere sucht Wege dagegen an. Ob das zu Kleists Zeit spielt oder heute, weiß ich nicht genau, spielt aber vielleicht auch keine Rolle. Die „Guten“ versammeln sich in einer Kirche. Zwecks Atmosphäre konnte ich nicht nur eine Telefonnummer anrufen und Musik hören, sondern auch auf meinem Schreibtisch eine Kirche aufstellen und sie beleuchten:
Als sich der Schauplatz dann in die Karibik verlagert, schafft das Verbrennen getrockneten Salbeis Atmosphäre (siehe unten). Auf Anhieb begeistert mich das Vorhaben, die Sprachkraft, mit der hier erzählt und agitiert wird wie die phantasievolle, gar nicht bedeutungsschwanger daherkommende Ausgestaltung. Aber worauf will es hinaus? Werde ich in all meinen Briefen eine Gerechtigkeitsdiskussion führen müssen, mich dafür verteidigen, dass ich ein Mann bin, dem jene vieldiskutierte toxische Männlichkeit nun mal in die DNA geschrieben ist? Oder wird am Ende ein humanistischer Gesellschaftsentwurf stehen, etwas, wovon Kleist ja nur Fetzen aufgefunden hat, worunter er bekanntlich furchtbar litt?
Ich bin gespannt...
Zwischenruf: Von den Friseuren siegen lernen!
Von Detlef Brandenburg am 11.02.2021
• Foto: phoenix
Das Bild zeigt: Angela Merkel in einer Video-Übertragung der Pressekonferenz nach dem Coronagipfel am Mittwoch, 10. Februar
Die deutsche Corona-Politik hat ihr Herz für die Friseure entdeckt. Und wenn man die Begründungen für deren vorzeitige Erlösung vom Lockdown liest, geht einem das Herz auf angesichts einer mirakulösen Melange aus subtiler Empathie mit dem pandemischen Seelenleben einerseits und dem coolen Blick auf die Mechanismen des Wirtschaftssystems andererseits. Für beides zeichnet die CSU zuständig, für die Empathie gar – wer hätte das gedacht!? – sogar Markus Söder in eigener Person. Die Entscheidung pro Figaro habe „auch mit Würde zu tun in diesen schwierigen Zeiten“, gab Söder nach den Bund-Länder-Beratungen gestern Abend zu Protokoll. Für viele Menschen spielten Friseursalons in der Pandemie eine wichtige Rolle, „um sich wiederzufinden“. Hm, na ja, stimmt schon. In dem zotteligen Späthippie, der mich des Morgens unversehens aus dem Spiegel anblinzelt, finde ich mich auch nicht mehr so richtig wieder. Selbst Söders tendenziell eher nüchterner Kollege Müller aus Berlin war beeindruckt: „Ich staune da über manche Debatte, wie groß die Rolle ist, die Friseure spielen." Das Staunen ist laut Platon der Anfang der Erkenntnis. Aber, liebe Ministerpräsidenten, ich betone: lediglich der Anfang!
Wie gut, dass dem empathischen Herrn Söder sein kühl kalkulierender Parteifeind Seehofer beisprang, der als Bundesinnenminister auch mit in dem Innersten des Geschäftslebens vertraut ist – bis in die dunkelsten Hinterzimmer offenbar. Bei den Friseuren, so Seehofer, habe sich „regelrecht ein Schwarzmarkt“ entwickelt, wo Mensch sich ohne alle Hygienekonzepte unters Messer begibt. Das sei viel gefährlicher, als Friseurläden mit einem strengen Hygienekonzept die Öffnung zu gestatten. Na dann… Selbst die Bundeskanzlerin, sonst keiner unnötigen Lockerungsübung verdächtig, hatte unlängst bekundet, wie sehr sie sich auf ihren nächsten Friseurbesuch freue. Wir beglückwünschen an dieser Stelle den Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks zu seiner ebenso gezielten wie durchgreifenden Lobbyarbeit!
Die Barbiere in Deutschland also dürfen ab 1. März wieder loslegen. Das ist schön. Der Barbier von Sevilla aber leider nicht. Und da könnte man sich ja mal fragen, ob nicht beispielsweise die Theater und ihre Lobby etwas von der Friseur-Innung lernen könnten. Gut, wenn die Kanzlerin sich nun mal nach dem Friseursalon sehnt und nicht nach dem Theater, Bayreuth ist ja auch erst im Sommer, da kann man nichts machen. Aber, lieber Herr Söder, als Ort der Selbsterkenntnis und des Sich-Wiederfindens ist das Theater auch keine schlechte Adresse. Und wenn Sie sich nicht gerade in irgendeine wilde Avantgarde-Sause stürzen, können Sie sogar ziemlich sicher davon ausgehen, dass Ihnen kein Sänger oder Schauspieler so nah kommt wie Ihr Friseur. So viel zum Hygiene-Konzept.
Aber wir halten uns lieber an die ehernen Gesetze der Wirtschaftswelt, denn von Seehofer lernen heißt siegen lernen. Wie wäre es denn, wenn sich auch die Theater in die Hinterzimmer und die Kulissenlager zurückzögen? Wenn sie dort unter Missachtung aller Hygieneregeln wilde Off-Performances hinlegten nach dem Motto: Manche mögen’s heiß! Zugelassen nur für die Freunde der italienischen Oper, und am Einlass kassiert der Türsteher Cash inde Täsch. Dann müsste man nur noch einen losschicken, der irgendwie an den Seehofer rankommt (ist der nicht Mitglied in einem Modelleisenbahner-Club?) und ihm durchsticht, wie im Theater das Publikum klammheimlich über den Löffel barbiert wird. Und schwupps! – dürfen die Bühnenschwarzarbeiter wieder im hellen Licht und hygienisch einwandfrei fürs Vorderhaus spielen – auf dass der Theater-Schwarzmarkt radikal ausgetrocknet werde!
Ja – mit der föderalistisch illuminierten deutschen Coronapolitik ist alleweil gut lustig sein, nicht wahr? Wenn es nur nicht so traurig wäre. Wenn nur nicht schon der Stufenplan der Kultusministerkonferenz mit seiner verschämten Forderung nach Öffnung der Theater parallel zu Kneipen und Gaststätten so erschütternd kleinmütig gewesen wäre. Hätten sie mal beim Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks nachgefragt, wie man sowas macht! So jedenfalls ist es kein Wunder, dass im Beschluss der gestrigen Videoschaltkonferenz die Kultur noch nach den „körpernahen Dienstleistungen“ (welch eine Wortschöpfung!) rangiert und dort auf von Bund und Ländern noch zu erarbeitende „nächste Schritte“ vertröstet wird. Das aber ist für mich derzeit denn auch das ebenso traurige wie beunruhigende Fazit der Coronapolitik in Sachen Kultur: Die Künstler, gerade auch die Theaterkünstler, die so gern in ihren Diskursen um sich selbst kreisen und sich dabei gegenseitig ihrer Wichtigkeit für die Gesellschaft versichern (Letzteres meiner Meinung nach sogar mit einigem Recht!) – sie erreichen offenbar die Gesellschaft, für die sie sich so wichtig wähnen, außerhalb ihrer Blase nicht mehr. Zumindest erreichen sie diejenigen nicht, die von der Gesellschaft gewählt wurden, um deren Geschicke zu lenken. Und das ist überhaupt nicht lustig.
Zwischenruf: Das Theater trifft sich 2021
Von Detlev Baur am 09.02.2021
• Foto: Diana Pfammatter
Das Bild zeigt: „Einfach das Ende der Welt" am Schauspielhaus Zürich mit Benjamin Lillie, Maja Beckmann, Wiebke Mollenhauer und Nils Kahnwald
Die Auswahl zum Berliner Theatertreffen ist veröffentlicht. Wie jedes Jahr wurden die zehn vermeintlich bemerkenswertesten Inszenierungen aus der deutschsprachigen Theaterlandschaft von einer Kritikerjury ausgewählt. Also alles wie immer?
Die – meist nicht ganz unberechtigte – Nörgelei über die Auswahl gehört genauso zum Theatertreffen wie das dezente Selbstlob der ausgezeichneten Häuser nach der Bekanntgabe. In diesem Jahr war jedoch nicht so sehr die Frage, welche Inszenierung fälschlicherweise nicht berücksichtigt würde, sondern die, wie die Jury denn in der extrem ausgedünnten Theaterrealität der Jahre 2020 und 2021 fündig werden solle. Sie fand! Und alles in allem kann man sagen: Die Auswahl dürfte weniger streitbar sein als die Jahrzehnte zuvor. Alle Theaterinteressierten können froh sein, dass in der Auswahl überhaupt sehenswertes Theater mal zehn zusammenkommt – und das scheint tatsächlich gelungen.
Die Mehrzahl der Inszenierungen, nämlich fünf, stammt aus dem Hebst 2020, als die Pandemie – scheinbar - pausierte und die Theater unter strengen Vorgaben und für etwa ein Viertel des Publikums geöffnet waren. Darunter ist auch die großartige Inszenierung Karin Beiers von Rainald Goetz‘ größenwahnsinnigem Dramenepos „Reich des Todes“ Bei der Premiere wirkte das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg im Parkett erschütternd ausgebeint; auf der Bühne hingegen spielte ein großes und großartiges Ensemble, als gäbe es kein Corona. Diese Inszenierung ist übrigens auch zu den Mülheimer Stücken eingeladen. Diese kleine Schwester des Theatertreffens hat vor einigen Tagen die diesjährige Auswahl bekanntgegeben. Hier ist die enge Verbindung von großen Stücken und von Jungem Theater bemerkenswert. Und hier spielen digitale Formate in der Auswahl eine eher geringere Rolle. Die Pandemie ist in Mülheim auch thematisch in den ausgewählten Stücken kaum sichtbar; angesichts der Fixierung des Wettbewerbs auf neue Theatertexte auch wenig verwunderlich.
Zwei Inszenierungen beim Theatertreffen sind im Februar 2020 vor den Auswirkungen der Coronakrise in Mitteleuropa entstanden, nämlich „Graf Öderland“ aus Basel sowie „Scores that shaped our Friendship“ vom freien Theater schwere reiter in München. Die Leistung der beiden Performer Ludy Wile und Pawel Dudus wurde bereits im November mit dem Deutschen Theaterpreis DER FAUST für die Darstellung im Bereich Tanz ausgezeichnet.
Die drei übrigen Inszenierungen stammen aus der Zeit des Theaterlockdowns. Gob Squads 12-Stunden-Stream „Show me a good Time“ zählt zu den frühen Streams, die auf die Kulturkrise direkt eingehen, einschließlich erster digitaler Kinderkrankheiten in der Umsetzung bei der Premiere. Sebastian Hartmanns „Der Zauberberg“ vom konnte im zweiten Lockdown nur noch als Live-Stream im leeren Deutschen Theater stattfinden, die Premiere vor Publikum steht aus. Und Christopher Rüpings Zürcher „Einfach das Ende der Welt“ konnte unter Schweizer Verhältnissen auch im Dezember noch vor reduziertem Publikum stattfinden und wurde gleichzeitig gestreamt. Thematisch und ästhetisch befasst sich diese Inszenierung – die mich von den Einladungen, die ich bisher nicht gesehen habe, am meisten interessiert – mit Videokunst und menschlicher Entfremdung. Das Deutsche Theater Berlin, in den letzten Jahren eher ein seltener Gast beim Theatertreffen und das Schauspielhaus Zürich sind mit jeweils zwei Inszenierungen eingeladen und somit „Gewinner“ der Auswahl,
Eine Darstellerin in „Einfach das Ende der Welt“ aus Zürich ist Maja Beckmann. Und sie ist auch in Leonie Böhms „Medea*“ die (einzige) Hauptdarstellerin, also so etwas wie eine heimliche Gewinnerin der Auswahl. Dass starke Darstellerinnen glücklicherweise trotz Verstreamung künstlerisch das Theater weiter prägen können ist somit eine positive Lehre aus der Auswahl für 2021. In „NAME HER“ vom Ballhaus Ost in Berlin ist Anne Tismer die alleinige Protagonistin. Überhaupt die Frauen: Feministische Fragen sind in zahlreichen Produktionen ein bestimmendes Thema der Inszenierungen – auch in der streng mit „Abstand“ spielenden „Maria Stuart" am Deutschen Theater und in Barbara Freys Burgtheaterinszenierung von „Automatenbüffet" sind Frauen die Heldinnen. Die Regiefrauenquote ist in der Auswahl wieder übererfüllt, fünf Regisseurinnen sind dabei, dazu zwei gemischte Regieteams; man(n) hat nicht den Eindruck, dass damit künstlerische Abstriche verbunden wären.
Wie aber das Theatertreffen 2021 – und ebenso die Mülheimer Theatertage 2021 – im Frühsommer stattfinden können, bleibt abzuwarten. Hoffen wir, dass es nicht beim digitalen Treffen bleibt. Berlin wäre in diesem Jahr wirklich mal wieder eine Reise wert.
Aus der Redaktion: Theaterregisseure erobern Netflix
Von Andreas Falentin und Detlev Baur am 02.02.2021
• Foto: netflix/action press
Das Bild zeigt: Vanessa Kirby und Shia LaBoeuf, die Hauptdarsteller in Kornél Mundruczós Film „Pieces of a Woman“
Zwei durch ihre Arbeit auf deutschsprachigen Bühnen aber auch international tätige Theaterregisseure, der Ungar Kornél Mundruczó und der Australier Simon Stone, haben in gewisser Weise das getan, was ihr Publikum auch getan hat: Sie haben, zumindest für ein Projekt, ihren Tätigkeitsbereich von der Bühne auf die Mattscheibe verlegt. „Pieces of a Woman“ von Mundruczó und „Die Ausgrabung“ von Stone sind abendfüllende Spielfilme, die in den letzten Monaten für das Streaming-Portal Netflix entstanden sind und im Januar dort veröffentlicht wurden. Unsere Redakteure Detlev Baur und Andreas Falentin haben sich beide Filme angesehen und sich hinterher darüber ausgetauscht.
Andreas Falentin: Als erste möchte ich sagen, dass beide Filme aus meiner Sicht in jedem Fall gelungen sind und dass sich die Stärken und Besonderheiten der Theaterarbeit beider Regisseure überraschend klar in ihren Kreationen für ein anderes Medium wiederfinden lassen. Abgesehen von herausragenden schauspielerischen Leistungen sowohl in (hier die Trailer:) „The Dig“ als auch in „Pieces of a Woman“ könnten die Filme jedoch unterschiedlicher nicht sein. Ein intensives, teilweise verstörend tief bohrendes Drama mit versöhnlichem Ende hier, ein sanft melancholischer, wenn auch nicht harmloser Genrefilm dort. Wie haben Dir die beiden Filme gefallen. Hast Du vielleicht einen eindeutigen Favoriten?
Detlev Baur: Ich schätze beide Filme ähnlich ein wie Du: Beides sind sehenswerte Filme; „Pieces of Woman“ hat mich jedoch fraglos mehr beeindruckt. Der Film greift sozusagen von Anfang an mitten hinein ins menschliche Leben. Nach einer kurzen Exposition wird in einer fast halbstündigen Dauerszene eine Hausgeburt gezeigt, an deren Ende der Tod des Neugeborenen steht. Das kann ich niemandem empfehlen, der demnächst persönlich mit einer Geburt zu tun haben dürfte, weil die Inszenierung und das Spiel des Ehepaares (Vanessa Kirby und Shia LaBeouf) und der Ersatz-Hebamme (Molly Parker) so realistisch sind und der Schmerz dank des großartigen Spiels und der gelungenen Regie so eindrücklich vermittelt werden. Wir sehen großes Leiden mit einem fatalen, tödlichen Ende an der Stelle eines neuen Lebens. Der Rest des gut zweistündigen Films dreht sich um die Folgen und die Aufarbeitung dieser Katastrophe. Das Paar entfernt sich immer weiter voneinander, die Mutter will die familiäre Niederlage nicht akzeptieren und sorgt dafür, dass die Hebamme vor Gericht kommt. Und doch findet die Hauptfigur, eine grandiose Vanessa Kirby, die einen Menschen zwischen Ausnahmezustand und konzentrierter Suche nach neuen Perspektiven im Leben zeigt, in diesem Schlamassel eigentlich zu sich, spätestens in der Gerichtsszene, in der sie die Hebamme entlastet. Die Beziehungen zum dann auch abreisenden Mann und zur überambitionierten Mutter werden am Ende immerhin geklärt. Fandest Du den Film bei aller Drastik auch in gewisser Weise tröstlich und hast Du besonders theatrale Filmregie gesehen?
Andreas Falentin: Eigentlich weder noch. Wie öfter bei Munduczó auf der Bühne, etwa beim grandiosen „Evolution“-Projekt auf Ligetis „Requiem“ bei der Ruhrtriennale 2019, ist die Analyse menschlichen Zusammenlebens, die Notwendigkeit und Unmöglich-, manchmal sogar Unmenschlichkeit der sozialen Ankerinstitution Familie gnadenlos genau. Man wird beim Zusehen auf sich und seine Beziehungen geworfen. Mundruczó gestaltet hier nicht zum ersten Mal eine Mutter-Tochter-Beziehung, und auch die Motive, der zumindest teilweise zerstörten jüdischen Familie und des tragisch verlorenen Kindes (was hier auch bei der von Ellen Burstyn umwerfend gespielten Mutter der Protagonistin eine Rolle spielt) kehren im Werk des Regisseurs und seiner Standardautorin Kata Weber immer wieder. Mich frappiert immer wieder, wie Mundruczó es schafft, durch relativ lakonisches Spiel der Schauspieler so intensive Seherlebnisse zu schaffen. Ich war geradezu körperlich traurig, als die Beziehung dieser beiden so sehr liebenden, so verschiedenen Menschen kaputt ging, weil ihre Ängste und Gefühle, Sehnsüchte und Bedürfnisse nach dem katastrophalen Verlust des Kindes so unterschiedlich sind. Zumal das, neben der schauspielerischen Arbeit über die Bilder hergestellt wird, über Motive, Symbole, Kamerafahrten, also mit genuin filmischen Mitteln. Das tröstliche Ende aber, der Früchte tragende Baum, auf dem das Kind sitzt und von der hübschen blonden Frau zum Essen gerufen wird, kann mir hier gestohlen bleiben. Ich brauche das nicht und will das nicht. Das Verstreuen der Asche aus der Urne in den Fluss tut es für die Protagonistin. Und für mich auch. Es ist letztlich doch „nur“ ein (sehr gut gemachter) Film.
Vanessa Kirby in „Pieces of a Woman"
Detlev Baur: Für mich wird der Film nicht erst durch die finale Apfelbaum-Szene tröstlich. Ich sehe die nicht ganz so kritisch, weil das Apfelmotiv – vor Gericht beschreibt die Mutter das ganz kurz lebende Kind als ein Apfelduft verströmendes Wesen, und Äpfel spielen in der Verarbeitung des Traumas eine große Rolle – zentral ist, auch wenn mir selbst nicht ganz klar wurde, wer in dieser Schlussszene eigentlich Mutter und Kind sind. Ich sah aber im Gegensatz zu Dir, in der Trennung vom doch recht beschränkten Mann und in der Abgrenzung von der übergriffigen Mutter doch eine positive Entwicklung für die Hauptfigur. Auch das Bild der langsam wachsenden großen Brücke über den Fluss der Stadt, an der der Gatte anfangs mitbaut, ist für mich ein positives Bild, das sich durch den Film zieht.
Andreas Falentin: Die Brücke ist ein großes Bild. An ihr wird gezeigt, wie Zeit vergeht, und auf der symbolischen Ebene wird sozusagen Verbindung, Einheit geschaffen. Die Trennung von dem von der Mutter nie akzeptierten Lebenspartner kann ich aber nicht als positive Entwicklung betrachten. Die Beziehung war offenbar, das zeigt ja gerade der Anfang des Films, bis zur Katastrophe sehr glücklich, das Kind ein großer gemeinsamer Wunsch, die Verschiedenheit in Bildung und sozialer Herkunft kein Hinderungsgrund. Sean ist zweifelsfrei kein Intellektueller, geht den Verarbeitungsprozess auch nicht bewusst an, ist eher Verdränger und sucht Vergessen im Libidinösen. Aber beschränkt?
Detlev Baur: Zumindest ist er latent gewalttätig; und das Glück erschien mir auch anfangs ziemlich oberflächlich. Jedenfalls kratzt „Pieces of a Woman“ – gar nicht unbedingt in der Thematik, aber in der Gestaltung der Figuren – für mich schon an existenzielleren Fragen als der Stone-Film. Da war ich zugegebenermaßen hin- und hergerissen zwischen Bewunderung für die ausführliche Entwicklung des Ausgrabungs-Motivs und ihrer Verbindung mit der Biographie der Hauptfiguren einerseits und der arg hollywoodesken Filmmusik sowie den immer neuen Figuren im Team der Ausgräber, deren Befindlichkeiten in knapp zwei Stunden notwendigerweise an der Oberfläche bleiben müssen. Letztlich berührt das weniger, auch wenn es als heimisches Sofakino wohl passender ist als das Drama nach einer Hausgeburt.
Filmplakat zu „Die Ausgrabung" mit den Hauptdarstellern Carey Mulligan und Ralph Fiennes
Andreas Falentin: „Die Ausgrabung“ sehe ich doch etwas positiver als Du. Mit der Filmmusik von Stefan Gregory, der wie die großartige Kostümbildnerin des Films, Alice Babidge, seit Jahren mit Simon Stone zusammenarbeitet, hast Du aber vollkommen recht. Die Musik ist konventionell, manipulativ und stellt sich häufig zwischen die Bilder und die Zuschauer, im Gegensatz übrigens zum ungewöhnlichen Umgang mit dem Ton, der hier oft zu früh oder zu spät einzusetzen scheint und so eigenes Erzählmittel wird.
Der Film bedient ein in den letzten Jahren in Großbritannien ziemlich populäres Subgenre, das ich einfach total mag. Ich würde es mit 20th Century Period Peace bezeichnen. Die Zutaten sind: Mindestens zwei britische Star-Schauspieler, ein besonders über die Ausstattung vermittelter, wenige Jahre dauernder Ausschnitt aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts, die Anlehnung an ein kleines oder großes zeithistorisches Ereignis, langsames Erzähltempo und eine unerfüllte Liebesgeschichte. In Großbritannien höchst erfolgreiche Filme mit diesen Zutaten in den letzten Jahren waren etwa „Ihre beste Stunde (Their Finest)“ von Lone Scherfig mit Gemma Arterton und Bill Nighy von 2016, der Filmdreharbeiten in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs zum Thema hat; oder „Filmstars don’t die in Liverpool“ (Regie Paul Mc Guigan) mit Annette Benning und Jamie Bell von 2017 über den Tod der Filmdiva Gloria Graham, die Ende der 70er-Jahre krebskrank von einem Fan in einem Arbeiterhaushalt gepflegt wird. Diese Filme sind in Großbritannien Kinorenner, bei uns kratzen sie höchstens mal an der Einlasspforte des einen oder anderen Arthouse-Kinos. Ihre Stärke, die Genauigkeit der Charakterzeichnung, die Gestaltung kleiner Seelenregungen und kleinster Entwicklungsschritte versteht man hier weniger und mag man nicht. Der Cineast rümpft die Nase über Sentimentalität, der „Normalseher“ über den Mangel an Action.
Simon Stone erzählt die Geschichte der – historischen – Ausgrabung eines Schiffsgrabes aus dem 7. Jahrhundert in Suffolk ohne jede Hetze. Er entwickelt seine Figuren ruhig, schrittweise, passgenau, erzählt wesentlich linearer als auf der Theaterbühne, aber genau wie dort kriegt er Außergewöhnliches von den Schauspielern. Ralph Fiennes habe ich noch nie so subtil und versammelt spielen sehen und Carey Mulligan dosiert ihren nicht unbeträchtlichen Charme extrem wirkungsmächtig und schafft dadurch eine außergewöhnliche Figur. Dazu hat Stone eine tolle Supporting Cast besetzt und bekommt von jedem und jeder einzelnen mehr als die meisten anderen Regisseure.
Wie, findest Du, schlagen sich Stone und Mundruczó denn im engeren Sinne als Filmregisseure?
Detlev Baur: Beide Filme sind wie schon gesagt sehr professionell gemacht; anders als manches Theaterstreaming habe ich das nicht nur gesehen, weil es zu meinem Job gehört. Dabei erkenne ich in beiden Fällen eigentlich nicht den hauptberuflichen Theaterregisseur. Allerdings kenne ich Simon Stones Theater noch deutlich besser als das von Kornél Mundruczó. Stone arbeitet im Theater meistens mit angelsächsisch pragmatischen und zugleich sehr konsequenten Überschreibungen von klassischen Theatertexten, er verbindet also ein Well-made play mit einem kräftigen Regiezugriff. Meist, wenn es gelingt, transformiert er so klassische Theatertexte ins Heute, zoomt die Figuren an uns heran. Das Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwart ist ja auch das Thema in „The Dig“. Davon hätte ich vom Drehbuch her gerne noch mehr gesehen und weniger neue Verwicklungen um eine junge Archäologin, die sich in einen jungen Fotografen verliebt, der aber zur Luftwaffe muss, während sich ihr Mann lieber mit einem jungen Kollegen verlustiert – das war mir zu aufgesetzt dramatisierend-unterhaltend. Die sterbenskranke Mäzenin auf der Suche nach der Vergangenheit und ihr wunderbarer kleiner Sohn mit Sehnsucht nach der Raumfahrt – das ist anderseits auch darstellerisch wirklich „großes Kino“.
Verglichen mit den Theaterarbeiten von Stone und Mundruczó fehlt mir beim Betrachten der beiden Filmen zuweilen etwas die Drastik, vor allem die räumliche, ja körperliche Nähe zu den Darstellern. Solange wir die aber nicht haben können, bietet Netflix schon eine beachtliche künstlerische Alternative. Auch ein Erfolgswerk der Corona-Zeit war ja Maria Schraders Miniserie „Unorthodox“ über den Ausbruch einer jungen Frau aus orthodoxen jüdischen Verhältnissen in Brooklyn nach Berlin. Von welchen Theatermachern würdest Du denn noch gerne einen Film oder eine Miniserie auf Netflix und Co sehen?
Andreas Falentin: Ja, wer erzählt entschlossen, aber unkonventionell? Michael Thalheimers minimalistischer Rigorismus könnte mich interessieren, Thorleifur Örn Arnarssons mythische Maßlosigkeit, Anne Lenk mit ihrer Fähigkeit, Ausdruck zu konzentrieren, ohne die Erzählung anzuhalten oder Daniela Löffner mit ihrem Hang zur Genauigkeit im kleinteiligen Fluß. Oder Herbert Fritsch? Als Berserker-Solo-Monty-Python des 21. Jahrhunderts? Ginge alles, Netflix!
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