Text:Volker Oesterreich, am 9. Dezember 2013
Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Ulrike Syhas sprachverspieltes Stück „Mao und ich“ endet, wie es begonnen hat: mit Menschen im Zoo. Dabei sind es eher Menschen in einem chinesischen Kongresshotel, die hier weniger nach dem Animalischen als vielmehr nach der verloren geglaubten Identität in einer als chaotisch empfundenen globalisierten Welt suchen. Das Paar Marek und Ruth – er Medienwissenschaftler von Beruf, sie Journalistin – begegnet sich in der zentralchinesischen Megametropole Chongqing wieder und erkennt die Beziehungslosigkeit ihrer schon vor Jahren beendeten Beziehung, genauer gesagt: ihren Selbstbetrug zwischen Realität und Fiktion. Als Kongressteilnehmer sind die beiden in die Fremde gereist und fremdeln nun mit ihrer eigenen Existenz. Dazu gesellt sich Mareks Stiefvater Lars, ein in sich selbst verliebter Globetrotter und erfolgreicher Dokumentarfilmer, sowie allerlei Zufallsbegegnungen von der Managerin über einen Herrn vom chinesischen Kulturinstitut bis zum Import-Export-Handelsvertreter. Als Klischee-Versatzstück thront zusätzlich noch eine schweigende Mao-Puppe auf der Bühne – Symbol für jenes China, das vom 20. direkt ins 22. Jahrhundert springt und das 21. einfach auslässt.
Ulrike Syha torpediert unsere Erwartungshaltung gleich zu Beginn, indem sie behauptet, ihr Stück sei kein Stück, sondern „ein Film fürs Theater“. Es gibt Vor- und Rückblenden, schroffe Schnitte, kunterbuntes Allerlei und live übertragene Close-ups auf einem Bildschirm. Einmal wird sogar nach einem Drehbuchautor gesucht, der in die wirre Handlung eingreifen möge. Für Momente der Reflektion und Irritation sorgen überdies die Regieanweisungen, die als Metaebene in die Dialoge hineinwuchern und selbstverständlich ebenfalls vorgetragen werden. Also lauter Stilmittel einer in sich selbst verliebten Postmoderne, wie man sie seit Jahren kennt.
Kann man solch ein Experiment trotzdem auf die Bühne bringen? Ja, bedingt funktioniert es. Ali M. Abdullah überhöht in seiner Inszenierung die Künstlichkeit dieser Kunstwelt, und sein fünfköpfiges Ensemble folgt ihm dabei routiniert. Michael Fuchs und Dascha Trautwein spielen Marek und Ruth so gekonnt, dass man die beiden am liebsten gleich auf die Couch eines Therapeuten schicken möchte. Ralf Dittrich, der den Part des in sich selbst verliebten Stiefvaters übernommen hat, wirkt in seiner Cowboymontur und mit seiner sonoren Stimme wie aus einem falschen Film, aber das trifft auch für Sabine Fürst und Jacques Malan zu. Beide teilen sich die vielen Nebenrollen, sie in sexy Dessous mit ausgestopfter Oberweite, er mit Arlecchino-Schminke im Gesicht. Ja, ein bisschen Commedia dell‘arte gehört bei diesem Crossover der Genres genauso dazu wie die Asia-Schnulzen der beiden Entertainerinnen Weihua Wang und Yashan Huang, die zwischendurch für den Hotellobby-Sound von Chongqing sorgen. Durch die Fenster dieses Hotels blickt man übrigens auf die Hollywood-Mountains mit dem berühmten Schriftzug, und über den Köpfen des Publikums leuchten immer wieder Dutzende von Neonröhren (Bühnenbild und Kostüme: Christoph Ernst). Zur Erhellung des Publikums trägt ihre Helligkeit nicht bei.